Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
schon wären alle, hinter denen er her war, gehorsame Diener La Sombrías.
Karim Karfax, der Arxiduc von Gibraltar, lächelte eisig kalt wie ein schlechter Traum, der einen weinen und zittern lässt. Und aus dem es für die Schläfer kein Entrinnen gibt.
Malfuria
Sie betraten die Kathedrale durch das Hauptportal. Catalina war noch ganz außer Atem, doch Ramon der Rabenkater zog sie an der Hand hinter sich her. Er wirkte nervös, und das war etwas, das Catalina mehr beunruhigte als alles andere. Immerhin hatte Ramon bisher die Zuversicht ausgestrahlt, die ihr Mut gemacht hatte.
Du vertraust ihm, schoss es ihr durch den Kopf. Wann hatte sie begonnen, ihren Argwohn ihm gegenüber abzulegen? Als er ihr von Malfuria erzählte? Oder davon, was die Schatten mit ihr vorhatten?
Der Rabe zerrte sie vorwärts. »Malfuria wird uns hier abholen«, sagte er.
Sie fragte nicht mehr, woher er das wusste. Vermutlich würde sie ohnehin keine brauchbare Antwort darauf erhalten.
Schweigend liefen sie durch den geräumigen Kirchenraum. Es war kühl im Inneren der Sagrada Família, doch es war nicht die alles durchdringende Kälte der Schatten, sondern ein angenehmer Hauch, der Catalinas erhitzte Wangen berührte und sie durchatmen ließ.
Tief sog sie die Luft ein, die nach Mamor und Kerzenwachs roch, und dachte, dass sie sich gerne irgendwohin gesetzt hätte, um all das zu überdenken, was in den letzten Stunden auf sie eingeprasselt war.
Warmes Licht schien durch die Oberlichter in das Mittelschiff hinein. Vier mächtige Galerien wurden von kannelierten Pfeilern getragen, aus denen Heilige und Sünder herausragten, allesamt eckig und mit entstellten Fratzen in Stein gehauen. Die Säulen sahen aus wie die uralten dicken Wurzeln eines knorrigen Wassertupelobaumes. Ein ganzer Wald von mächtigen Säulen bildete das Innere der Kathedrale. Sie waren wie Pflanzen, wie Schlinggewächse und Wurzeln von Olivenbäumen. Viele der wie lebendige Äste wirkenden Säulen ruhten auf steinernen Schildkröten, eine respektvolle Verneigung der Architekten vor der heiligen Julika, der Schutzpatronin der Schnellen und Schlafenden. Andere Säulen mündeten in steinerne Chamäleons. Hoch oben bei den Oberlichtern ragten Engel und einige Gargylen aus den Wänden heraus, hielten Schriften, Zepter und Symbole in den Händen und Klauen.
Lebendig wirkte die Kathedrale, wie selten ein Bauwerk sonst.
All diese Pracht schaute Catalina an und für einen Moment waren die Schatten in ihrem Leben vergessen. Doch dann erklangen plötzlich Schritte.
Catalina schrak zusammen.
Die Schritte warfen ein lautes Echo in den Raum, den Giganten und Götter erbaut haben mochten.
Ramon der Rabenkater drehte ruckartig den Kopf in die Richtung, aus der die Geräusche kamen.
Auch Catalina schaute sich um und ihr blieb förmlich das Herz stehen, als sie die junge Frau unter einem verschlungenen Säulenbogen sah. In den hellen Augen lebte noch immer das Lachen, das auch früher schon dort geleuchtet hatte.
Catalina trat einen Schritt vor.
Nein, sie humpelte einen Schritt nach vorne. Unsicher noch, zögerlich.
Ihre Stimme war leise, nur ein Flüstern: »Mama!« Ganz ungläubig.
Am liebsten hätte sie geweint vor Erleichterung.
Sarita Soleado breitete die Arme aus. Sie strahlte, und Catalina erkannte, dass da etwas aus ihrem hübschen Gesicht wich, das vielleicht schon viele Monate dort gelebt hatte. Angst und Besorgnis um ihre Tochter, die mit einem Mal wie weggeblasen waren.
Dann hörte sie das Fauchen. Catalina schaute zur Seite. Ramon der Rabenkater fauchte bösartig wie eine Katze, die das raue und laute Rabenkrächzen beherrscht.
»Du wirst ihr nichts antun!« Sarita Soleado näherte sich dem Rabenkater ohne Furcht, aber vorsichtig und mit langsamen Schritten. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Ihre Worte aber waren an Catalina gerichtet: »Was hat er dir erzählt?«
Das Mädchen war verwirrt. Sie sah den Rabenkater an und bemerkte, wie seine Augen wütend funkelten.
»Das ist meine Mutter«, hörte sich Catalina sagen.
Ramon glich mit einem Mal einem Raubtier, das auf Beute aus war. Die struppigen Federn an seinem Kopf begannen zu sprießen und die pechschwarzen Haare wuchsen ihm ins Gesicht hinein.
Catalina trat einen Schritt zur Seite. Ramon raunte ihr etwas zu: »Zeig ihr nicht den Aquamarin.« Seine Lippen begannen zu zittern. Sie wurden schwarz und ihre Form begann sich zu verändern. Es sah aus, als bildete sich Hornhaut auf ihnen. Die Mundwinkel
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