Malina
Sacher geht, natürlich auf Kosten des Instituts und weil er muß, dann bin ich bestimmt spät nachmittags in der Blauen Bar im Sacher verabredet, und wir treffen einander nicht, ob ich es nun provozieren oder verhindern will, denn heute bin ich zum Abendessen im Stadtkrug, aber Ivan ist draußen in Grinzing mit Ausländern, und morgen muß ich ein paar Leuten Heiligenstadt zeigen und Nußdorf, daran denke ich verzweifelt, und er wird mit einem Herrn bei den Drei Husaren essen. Für ihn kommen viele Leute von auswärts, meine kommen auch oft von auswärts, und das, zum Beispiel, hindert uns heute wieder, einander zu sehen, uns bleibt nur das Telefonieren. Und um unsre erste Gruppe von Telefonsätzen gruppiert sich, bei flüchtigem Sehen, vor dem Auseinandergehen zu verschiedenen Leuten, eine ganz andere Gruppe von Sätzen, die gehen darum um das ›Beispiel‹.
Ivan sagt, er höre von mir immer ›zum Beispiel‹. Und um mir die Beispielsätze auszutreiben, verwendet er jetzt Beispielsätze, zum Beispiel sogar in der einen Stunde, die uns bleibt vor dem Abendessen.
Was denn, zum Beispiel, Fräulein Schlauberger? Wie war es, zum Beispiel, als ich zum erstenmal in deine Wohnung kam, am Tag danach, da haben wir doch, zum Beispiel, sehr mißtrauisch ausgesehen.
Ich, zum Beispiel, habe noch nie eine Unbekannte auf der Straße angesprochen und es wäre mir vorher nie in den Sinn gekommen, zum Beispiel, daß eine derartige Unbekannte mit einem Unbekannten sofort, wie bitte?
Übertreib nicht!
Zum Beispiel ist mir noch immer nicht klar, was du eigentlich machst. Was, zum Beispiel, kann man bloß den ganzen Tag zu Hause machen, ohne sich zu rühren. Laß mich, zum Beispiel, einmal nachdenken. Nein, erzähl mir bloß nichts.
Bitte, ich kann es aber ganz leicht!
Ich, zum Beispiel, bin nicht neugierig, sag es mir nicht, ich frage mich nur einiges, aber weil ich beispiellos diskret bin, erwarte ich keine Antwort.
Ivan, nicht so!
Wie denn dann?
Wenn ich, zum Beispiel, heute abend nach Hause komme, müde, aber trotzdem noch warten würdeauf einen Anruf, was, zum Beispiel, Ivan, würdest du dazu meinen?
Geh lieber schlafen danach, und sofort, Fräulein Schlauberger.
Und mit diesem Satz ist Ivan gegangen.
Ivan kann es, zum Unterschied von anderen Männern, gar nicht vertragen, wenn ich eigens auf einen Anruf warte, mir Zeit nehme für ihn, mich richte nach seinen freien Stunden, und so tu ich es heimlich, ich füge mich und denke an seine Lehrsätze, denn von ihm stammen die vielen ersten Lehrsätze für mich. Doch es ist spät heute, ich hätte Ivan vor fünfzehn Jahren auf dem Weg zum Postamt treffen sollen. Zum Lernen ist es nicht zu spät, aber wie kurz wird die Zeit sein, in der ich das Erlernte noch verwenden kann. Aber ehe ich, auf sein Geheiß, heute einschlafe, bedenke ich, daß ich damals nicht fähig gewesen wäre, die Lektion in ihrem ganzen Ausmaß zu verstehen.
Da es klingelt, girrt, surrt, greife ich nach dem Telefon, ich will schon ›Hallo‹ sagen, denn es könnte Ivan sein, aber dann lege ich den Hörer leise nieder, weil mir für heute kein letzter Anruf erlaubt war. Es läutet noch einmal, hört aber gleich auf, es war einvorsichtiges Läuten, es war vielleicht Ivan, es kann nur Ivan gewesen sein, und ich will nicht gestorben sein, noch nicht, wenn es wirklich Ivan war, er soll zufrieden mit mir sein und denken, ich schlafe längst.
Aber heute rauche ich und warte und rauche ich vor dem Telefon bis nach Mitternacht, und ich hebe ab und Ivan fragt, und ich antworte.
Jetzt muß ich nur noch den Aschenbecher
Einen Augenblick ja, ich auch
Hast du dir auch eine angezündet
So. Ja. Nein, es geht nicht
Hast du keine Zündhölzer?
Das letzte habe ich, nein, jetzt an der Kerze
Hörst du das auch? Gehen Sie doch aus der Leitung
Das Telefon hat eben seine Tücken
Wie? Es redet dauernd jemand hinein. Mücken, wieso
Ich habe gesagt: Tücken, nichts Wichtiges, mit hartem T
Ich verstehe das mit den Mücken nicht
Verzeih, das war ein unseliges Wort dafür
Warum unselig, was meinst du denn?
Nichts, nur wenn man sooft ein Wort wiederholt
Aber selbst wenn vier Personen durcheinanderreden, kann ich Ivans Stimme noch heraushören, und solange ich ihn höre und mich von ihm gehört weiß, bin ich am Leben. Solang das Telefon, auch wenn wir unterbrechen müssen, wieder läutet, schrillt, klingelt, wütet, um einen Ton zu laut manchmal und um einige zu leise, wenn man den Eisschrank zuwirft, das Grammophon
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