Mallorca - hin und nicht zurueck
hob ich das Kissen an und da war es wieder, dieses grauenhafte »dü-del-dü-del-dü-tütü-dü-tütü-dü-tütü …«, das meinem Sohn so gut gefiel. Und Leo auch. Mir hingegen nicht. Das würde meine erste Amtshandlung sein, sobald sich die Nebelschwaden in meinem Hirn gelichtet hätten. Ein ganz normaler Klingelton tat es nämlich auch!
Zum letzten Mal erklang das mir so verhasste »dü-del-dü-del-dü-tütü-dü-tütü-dü-tütü …«, dann kehrte endlich wieder Ruhe im Haus ein und ich ließ das Kissen erleichtert vor das Sofa fallen.
Mein Kopf brummte fürchterlich. Behutsam erhob ich mich. Erstaunlicher Weise ging es mir besser, als ich es erwartet hatte.
Ganz toll, da stand ich nun, am Sonntagmorgen, in meinem verknitterten schwarzen Kleid – an mein verknittertes, von Wimperntusche verschmiertes Gesicht wollte ich gar nicht erst denken – und hatte auf dem Sofa genächtigt.
Vorsichtig ging ich in die Küche, sorgsam darauf bedacht, keinen Blick in den großen Spiegel in der Diele zu werfen. Ich fühlte mich erbärmlich. Hoffentlich war noch Aspirin im Haus.
Gerade hatte ich die Tablette mit einem Schluck Wasser herunter geschluckt, da klingelte es. Besuch – das war so ziemlich alles was mir fehlte.
Allerdings würde es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nur um meine Tochter handeln, die bei ihrem Freund in der WG untergetaucht war oder um Felix, der bei seinem Freund Sascha übernachtet hatte. Es half alles nichts, ich musste jetzt doch mal in den Spiegel sehen.
Einigermaßen überrascht stellte ich fest, dass ich zwar ein wenig overdressed, allerdings keineswegs so schlimm aussah, wie ich mich fühlte. Hastig wischte ich mir die Wimperntusche unter den Liedern weg und öffnete die Tür.
»Ach Lisa!«
Auf der Türschwelle stand Sophie, meine Schwiegermutter. Ein mitleidiges Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Melissa hat mich gestern angerufen und mir diese unglückselige Geschichte erzählt. Also nein, es ist einfach unfassbar! Wieso hat mich denn niemand informiert?«
Völlig perplex starrte ich auf Leos Mutter. Eigens angereist, nur wegen mir, und wie es schien, sogar alleine. Sophie verreiste normalerweise nie ohne Friedrich, ihren Mann. Und da stand sie nun vor mir, die grauen Haare zu einer Hochfrisur aufgesteckt, im Kostüm und Schuhen mit halbhohen Absätzen und trug einen Koffer in der Hand.
Sophie und Friedrich hatten mich vor über zwanzig Jahren wie eine Tochter in ihrer Familie aufgenommen und ich mochte die beiden auf Anhieb. Sie waren mir immer eher wie Freunde, denn Schwiegereltern vorgekommen. Sophie gehörte zu den wenigen Müttern, die ihren Sohn gerne hatte ziehen lassen. Was vielleicht daran gelegen haben mochte, dass sie mich für »die Richtige« gehalten hatte.
Beide waren fürsorgliche Großeltern, die sich jedoch nie in unsere Angelegenheiten eingemischt oder uns mit guten Ratschlägen überhäuft hatten. »Ist doch schließlich euer Leben«, war einer der Leitsätze meiner Schwiegermutter.
»Sophie«, rief ich fassungslos, »was machst du denn hier?«
»Ja wie, was mache ich hier? Dir helfen natürlich. Es kann doch nicht sein, dass mein ignoranter Sohn zu irgendeiner anderen Frau zieht und du stehst ganz alleine da. Wozu hat man denn eine Familie?«
Mit diesen Worten schob sie sich samt Koffer an mir vorbei und trat ins Haus.
»Nein, wer hätte das gedacht? Du siehst so müde und traurig aus.«
Mit dramatischer Miene schüttelte sie den Kopf.
Ich schloss die Tür und reichte Sophie, die ihren Koffer neben der Garderobe abgestellt hatte und ihre Kostümjacke auszog, einen Bügel.
»Was hast du denn getrunken, Bier oder Schnaps?«, fragte sie mich streng und blickte prüfend zu mir herüber.
»Rotwein«, gestand ich kleinlaut. »Und es sollte eigentlich keine ganze Flasche werden …«
Sophie verdrehte die Augen. »Ach komm, Schnaps wäre schlimmer gewesen – also bei mir zumindest. Hast du schon ein Aspirin genommen?«
Schnaps wäre schlimmer gewesen? Ich glaubte mich verhört zu haben. Meine Schwiegermutter war der Anstand in Person! Ich hatte sie bis heute nicht ein einziges Mal beschwipst erlebt, von der Tatsache, dass sie immer wie aus dem Ei gepellt angezogen und zurechtgemacht war, ganz zu schweigen.
Sie musste meinen erschütterten Blick bemerkt haben. »Ja glaubst denn du, bei mir und Friedrich wäre immer alles Friede, Freude, Eierkuchen gewesen?« Konsterniert sah Sophie mich an. »Wenn du mit einem Mann zusammen lebst, brauchst du hier
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