Malloreon 1 - Herrn des Westens
früh am Tag?« fragte sie ihn tadelnd.
»Ich bin Alorner, Tantchen. Es ist nie zu früh am Tag für einen guten Schluck.«
»Kheldar, bitte, nenn mich nicht Tantchen. Da komme ich mir uralt vor.«
»Aber du bist es doch… Meine Tante, meine ich natürlich, nicht uralt.«
»Kannst du je ernst sein?«
»Nicht, wenn es nicht unbedingt sein muß.«
Sie seufzte, dann lachte sie warm.
Etwa eine Viertelstunde später wurde ein untersetzter Mann mit rotem Gesicht und einer etwas auffälligen orangeroten Uniform in das Gemach geführt. Er verbeugte sich tief: »Eure Majestät hat nach mir gerufen?«
»Ah, General Haldar«, sagte sie, »kennt Ihr Seine Majestät, König Belgarion?«
»Wir begegneten uns flüchtig, Eure Majestät – bei der Bestattung Eures Gemahls.« Nunmehr verbeugte er sich vor Garion. »Eure Majestät.«
»General.«
»Und natürlich kennt Ihr Fürst Kheldar.«
»Selbstverständlich«, antwortete der General. »Eure Hoheit.«
»General.« Silk betrachtete ihn näher. »Ist das nicht ein neuer Orden, Haldar?« fragte er.
Der General mit dem roten Gesicht tupfte etwas abschätzig auf die zahllosen Auszeichnungen. »Das ist die Beschäftigung von Generalen in Friedenszeiten, Fürst Kheldar. Wir verleihen einander Orden.«
»Ich fürchte, mit der Friedenszeit ist es vorbei, General Haldar«, sagte Königin Porenn brüsk. »Ich nehme an, Ihr habt gehört, was bei Jarviksholm in Cherek passiert ist?«
»Jawohl, Eure Majestät«, antwortete er. »Es war ein sehr gut durchgeführter Feldzug.«
»Und nun geht es gegen Rheon. Der Bärenkult hat König Belgarions Sohn entführt.«
»Entführt?« Haldars Miene verriet seine Verblüffung.
»Ja, leider. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, dem Kult ein für allemal ein Ende zu machen. Deshalb ziehen wir gegen Rheon. Im Hafen liegt eine Flotte mit Belgarions Rivanern. Morgen segeln wir flußauf und steigen vor den Untiefen aus. Von dort marschieren wir nach Rheon. Ich will, daß Ihr mobil macht und uns folgt, so rasch Ihr könnt!«
Haldar runzelte die Stirn, als beschäftige ihn etwas, das er gehört hatte. »Seid Ihr sicher, daß der rivanische Prinz entführt und nicht getötet wurde?« fragte er schließlich.
»Es handelt sich ohne Zweifel um eine Entführung«, antwortete Garion fest.
Haldar begann erregt auf und ab zu stiefeln. »Das ergibt keinen Sinn«, murmelte er wie zu sich selbst.
»Versteht Ihr Eure Anweisungen, General?« fragte ihn Porenn.
»Wie bitte? O ja, Eure Majestät. Ich soll die Armee sammeln und König Belgarions Rivaner einholen, ehe sie Rheon erreichen.«
»Richtig. Wir belagern die Stadt, bis der Rest unserer Streitkräfte eintrifft. Die Algarier und Teile der sendarischen Armee schließen sich uns bei Rheon an.«
»Ich mache mich sofort daran, Eure Majestät«, versicherte ihr Haldar. Er wirkte immer noch etwas abwesend, und seine Stirn war weiterhin besorgt gerunzelt.
»Stimmt etwas nicht, General?« fragte sie ihn.
»Wie bitte? O nein, Eure Majestät. Ich begebe mich sofort zum Hauptquartier und erteile die erforderlichen Befehle.«
»Vielen Dank, General Haldar. Das wäre es.«
»Er hat zweifellos etwas gehört, das ihm nicht gefiel«, bemerkte Silk, nachdem der General gegangen war.
»Wir hörten in letzter Zeit alle allerlei, was uns nicht gefiel«, entgegnete Garion.
»Das war es nicht«, wehrte Silk ab. »Entschuldigt mich bitte kurz. Ich glaube, ich werde einige Fragen stellen.« Er stand auf und verließ das Gemach.
Früh am nächsten Morgen legte die Flotte wieder ab und bewegte sich langsam flußauf. Obgleich der Tag klar und sonnig begonnen hatte, zog gegen Mittag eine dicke Wolkenwand vom Golf von Cherek auf und machte die drasnische Landschaft grau und bedrückend.
»Ich hoffe, es regnet nicht«, brummte Barak am Steuerrad. »Ich hasse es, auf dem Weg zu einem Kampf durch Schlamm waten zu müssen.«
Die Untiefen des Mrin erwiesen sich als eine sehr breite Flußstelle, wo das Wasser sich über Kiesbänken kräuselte.
»Habt Ihr je daran gedacht, diese Bänke zu beseitigen?« fragte Garion die drasnische Königin.
»Nein«, erwiderte sie. »Ich möchte gar nicht, daß der Mrin oberhalb dieses Punktes schiffbar ist; denn ich lege keinen Wert darauf, tolnedrische Kauffahrer an Boktor vorbeisegeln zu sehen.« Sie lächelte Ce'Nedra zu. »Das soll keine Kränkung sein, meine Liebe«, versicherte sie ihr, »aber Eure Landsleute versuchen alles, sich um den Zoll zu drücken. Wie die Dinge jetzt
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