Malloreon 1 - Herrn des Westens
gebrochen. Die Gefangenen brachte man durch die Straßen der brennenden Stadt zu den anderen auf dem Hauptplatz. Garion und General Brendig standen auf dem Balkon des Hauses, in das sie Harakan gebracht hatten, und unterhielten sich mit der zierlichen, schwarzgewandeten Königin von Drasnien. »Was werdet Ihr jetzt mit ihnen tun, Majestät?« fragte General Brendig sie, während er auf die verstörten Gefangenen hinunterblickte.
»Ihnen die Wahrheit erzählen und sie laufenlassen, Brendig.«
»Laufenlassen?«
»Natürlich.«
»Ich fürchte, ich kann Euch nicht ganz folgen.«
»Sie werden bestürzt sein, wenn ich ihnen sage, daß sie von einem malloreanischen Grolim verblendet und benutzt wurden, Alorien zu verraten.«
»Sie werden Euch vermutlich nicht glauben.«
»Genügend von ihnen werden es«, entgegnete sie ruhig und zupfte den Kragen ihres schwarzen Gewandes zurecht. »Es wird mir gelingen, wenigstens einige von der Wahrheit zu überzeugen, und sie werden für ihre Verbreitung sorgen. Wird erst allgemein bekannt, daß der Grolim Harakan den Kult geleitet hat, dürfte es dem Kult bedeutend schwerer fallen, neue Anhänger zu gewinnen, meint Ihr nicht?«
Brendig ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen. »Ich glaube, Ihr habt recht«, sagte er schließlich. »Aber werdet Ihr jene bestrafen, die nicht auf Euch hören wollen?«
»Das wäre Tyrannei, General. Allein der Eindruck von Tyrannei sollte immer vermieden werden – vor allem, wenn es sich ohnehin vermeiden läßt. Ich bin sicher, sobald die Wahrheit die Runde macht, wird jeder mit einem Steinhagel vertrieben werden, der wieder anfängt mit dem Gerede von der heiligen Mission Aloriens, die südlichen Reiche zu unterwerfen.«
»Schön, aber was habt Ihr mit General Haldar vor?« fragte er mit ernster Miene. »Ihr werdet doch nicht auch ihn ungeschoren davonkommen lassen?«
»Mit Haldar ist es etwas anderes«, antwortete sie. »Er ist des Hochverrats schuldig, und so etwas darf nicht hingenommen werden.«
»Wenn er erfährt, was sich hier getan hat, wird er wahrscheinlich zu entkommen suchen!«
»Der Anschein kann trügen, General Brendig.« Sie lächelte kühl. »Vielleicht sehe ich wie eine hilflose Frau aus, aber ich habe einen sehr langen Arm. Haldar kann gar nicht schnell genug oder weit genug laufen, als daß er mir entgehen würde. Und wenn meine Leute ihn gefaßt haben, wird er in Ketten nach Boktor zurückgebracht und vor Gericht gestellt werden. Der Richtspruch dürfte nicht schwer zu erraten sein.«
»Würdet ihr mich bitte entschuldigen«, bat Garion höflich. »Ich muß mit meinem Großvater sprechen.«
»Selbstverständlich, Garion.« Königin Porenn schenkte ihm ein herzliches Lächeln.
Garion stieg die Treppe hinunter und stellte fest, daß Silk und Javelin immer noch die Schränke und Truhen in dem großen Gemach durchstöberten. »Habt ihr etwas Brauchbares gefunden?« erkundigte er sich.
»Eigentlich eine ganze Menge«, antwortete Javelin. »Ich glaube, wenn wir hier fertig sind, haben wir die Namen aller alornischen Kultanhänger.«
»Das zeigt wieder einmal, was ich schon immer sage«, bemerkte Silk, während er weiterlas. »Man sollte nie etwas schriftlich niederlegen.«
»Weiß einer von euch, wo ich Belgarath finden kann?«
»Schau doch mal in der Küche nach«, riet ihm Silk. »Sie ist hinten im Haus. Er sprach davon, daß er hungrig sei. Beldin ging mit ihm.«
Die Küche in Harakans Haus war der allgemeinen Plünderung durch Yarbleks Leute entgangen. Sie waren offenbar an Beute, die sich zu Gold machen ließ, mehr interessiert als an verderblichen Eßwaren. Die beiden alten Zauberer hatten es sich an einem Tisch vor einem niedrigen Bogenfenster bequem gemacht und beschäftigten sich noch mit den Resten eines Brathuhns. »Ah, Garion, Junge«, begrüßte ihn Belgarath. »Komm, setz dich zu uns.«
»Glaubst du, es gibt hier was zu trinken?« Beldin wischte sich die Finger an seinem Wams ab.
»Es wäre erstaunlich, wenn es nichts gäbe«, antwortete Garion. »Immerhin ist das eine Küche. Habt ihr schon in der Speisekammer nachgesehen?«
Beldin stand auf und schlurfte zur angezeigten Tür.
Garion bückte sich leicht, um durch das niedrige Fenster zu den brennenden Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu blicken. »Es fängt wieder zu schneien an«, stellte er fest.
»Wir sollten zusehen, daß wir so rasch wie möglich von hier wegkommen«, brummte Belgarath. »Ich habe wirklich keine Lust, den
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