Malloreon 1 - Herrn des Westens
Erwachsene zu begegnen. Botschaft legte eine Hand vor den Mund, um sein Lächeln zu verbergen. Der durchtriebene Fürst Kheldar hatte sehr interessante Zeiten vor sich.
Wieder klopfte es an der Tür, und ein unauffälliger Mann trat rasch zu Javelin und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Botschaft fiel auf, daß der Mann sehr bleich war und daß seine Hände zitterten.
Javelins Blick wurde ernst, und er seufzte, ansonsten tat er seine Gefühle nicht kund. Er stand auf und kam um den Tisch herum. »Eure Majestät«, sagte er förmlich zu Prinz Kheva. »Darf ich Euch raten, sogleich zum Schloß zurückzukehren?«
Silk und Liselle war die förmliche Anrede nicht entgangen. Scharf blickten sie den drasnischen Geheimdienstchef an.
»Ich glaube, wir alle sollten den König zum Schloß zurückgeleiten«, sagte Javelin bedrückt. »Wir müssen seiner Mutter unser Beileid aussprechen und ihr in ihrer Stunde des Leides beistehen, so gut wir es können.«
Der neue König von Drasnien blickte seinen Geheimdienstchef mit großen Augen an, und seine Lippen zitterten.
Botschaft griff nach der Hand des kleinen Jungen. »Gehen wir, Kheva. Deine Mutter wird dich jetzt sehr brauchen.«
8
Die Könige von Alorien kamen zur Bestattung von König Rhodar und der danach folgenden Krönung seines Sohnes Kheva nach Boktor. Eine solche Zusammenkunft entsprach der Tradition. Obgleich sich die Nationen des Nordens im Lauf der Jahrhunderte etwas entfremdet hatten, vergaßen die Alorner nicht, daß sie alle in grauer Vergangenheit Teil des Reiches von König Cherek Bärenschulter gewesen waren. Wenn es galt, einen Bruder zu begraben, fanden sie sich in Trauer zusammen. Und da König Rhodar auch in vielen anderen Ländern geliebt und geachtet gewesen war, gaben ihm die Alorner – Anheg von Cherek, Cho-Hag von Algarien und Belgarion von Riva – nicht allein die letzte Ehre. Auch Fulrach von Sendarien und Korodullin von Arendien waren gekommen und sogar der unberechenbare Drosta lek Thun von Gar og Nadrak.
Außerdem hatten sich General Varana als Vertreter von Kaiser Ran Borune XXIII. von Tolnedra, und Sadi, Obereunuch im Palast von Königin Salmissra von Nyissa, eingefunden.
Die Bestattung eines alornischen Königs war eine ernste Angelegenheit, die gewisse Zeremonien einschloß, an denen nur die anderen alornischen Monarchen teilnahmen. Doch konnte keine Zusammenkunft so vieler Könige und hoher Staatsmänner rein zeremoniell verlaufen. Unweigerlich war Politik das Hauptthema in den gedämpften Gesprächen, die in den schwarz behangenen Korridoren des Schlosses geführt wurden.
Botschaft, dunkel gewandet und still, wanderte in jenen Tagen vor der Bestattung von einer kleinen Gesprächsgruppe zur anderen. Die Könige kannten ihn alle, aber irgendwie achteten sie kaum auf seine Anwesenheit, und so hörte er vieles, was in seiner Gegenwart vielleicht nicht gesagt worden wäre, wenn sie bedacht hätten, daß er nicht mehr der kleine Junge war, den sie aus dem Feldzug in Mishrak ac Thull kannten.
Die alornischen Könige – Belgarion, wie üblich in blauem Wams und Beinkleid, und der grobschlächtige Anheg in zerknittertem Gewand und verbeulter Krone, sowie der ruhige Cho-Hag in Silber und Schwarz – standen in der Nische eines der breiten Schloßkorridore.
»Porenn wird die Regentschaft übernehmen müssen«, sagte Garion. »Kheva ist erst sechs, und jemand muß sich um die Staatsgeschäfte kümmern, bis er alt genug ist, es selbst zu tun.«
»Eine Frau?« rief Anheg entsetzt.
»Anheg, mußt du wieder damit anfangen?« rügte Cho-Hag milde.
»Ich sehe keine andere Möglichkeit, Anheg«, sagte Garion auf liebenswürdigste Weise. »König Drosta läuft bereits das Wasser im Mund zusammen bei der Vorstellung, daß ein Kind auf dem drasnischen Thron sitzt. Seine Truppen werden große Brocken aus dem Grenzgebiet beißen, noch ehe wir andern zu Hause ankommen, es sei denn, wir übergeben jemandem die Regentschaft.«
»Aber Porenn ist so winzig!« protestierte Anheg voll Unvernunft. »Und so hübsch! Wie soll sie ein Königreich regieren?«
»Wahrscheinlich sehr gut«, entgegnete Cho-Hag und verlagerte vorsichtig sein Gewicht auf dem verkrüppelten Bein. »Rhodar hatte absolutes Vertrauen zu ihr. Und immerhin war es ihr Plan, dem die Vernichtung Grodeks zu verdanken ist!«
»Die einzige andere Person in Drasnien, die fähig wäre, das Reich zu führen, ist der Markgraf Khendon«, sagte Garion zu dem cherekischen König. »Der, den man
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