Malloreon 1 - Herrn des Westens
ist seit Monaten vorbei. Wie wäre es mit einem saftigen, reifen Pfirsich?«
»Ich will keine Pfirsiche, ich will Kirschen!« »Aber du kannst keine kriegen.«
»Du bist eine unehrerbietige Tochter, Ce'Nedra!« beklagte er sich.
Garion beugte sich vor und sagte leise zu Ce'Nedra: »Ich bin gleich wieder zurück.« Er verließ das Gemach mit Morin. Auf dem Korridor begegneten sie General Varana.
»Wie geht es ihm?« erkundigte sich der General.
»Im Augenblick ist er verärgert, weil er keine Kirschen bekommt«, antwortete Garion.
»Seit Wochen schon verlangt er nach Kirschen«, brummte Varana. »Nur ein Borune kann auf dem Unmöglichen beharren!«
»Gibt es im Palastgarten Kirschbäume?«
»Im kaiserlichen Privatgarten stehen zwei. Wieso?«
»Ich dachte, ich versuche mal, ihnen gut zuzureden«, antwortete Garion mit Unschuldsmiene. »Ich will ihnen einiges erklären und sie ermuntern.«
Varana blickte ihn mit tiefer Mißbilligung an.
»Es ist nicht wirklich unsittlich«, versicherte ihm Garion.
Varana hob eine Hand und wandte das Gesicht ab. »Bitte, Belgarion«, sagte er mit gequälter Stimme, »versucht nicht, es mir zu erklären. Ich will nichts davon hören. Wenn Ihr es tun wollt, dann tut es und bringt es hinter Euch, aber bemüht Euch nicht, mir einzureden, daß es natürlich sei!«
»Schön.« Garion nickte. »Wo, sagtet Ihr, ist der Garten?«
Es war nicht wirklich schwierig. Garion hatte des öfteren zugesehen, wie Belgarath der Zauberer so etwas machte. Keine zehn Minuten später schritt er wieder den Korridor zum kaiserlichen Krankengemach zurück, mit einem kleinen Korb voll dunkler Kirschen in der Hand.
Varana warf einen Blick auf den Korb, schwieg jedoch. Garion öffnete leise die Tür und trat ein.
Ran Borune lag, mit dem Oberkörper leicht aufgerichtet, auf seinen Kissen. Sein Gesicht wirkte abgespannt. »Ich verstehe es nicht! Warum nicht?« fragte er Ce'Nedra. »Eine liebende Tochter hätte ihrem Vater längst schon ein halbes Dutzend Enkelkinder beschert!«
»Komm schon zur Sache, Vater«, sagte sie. »Warum macht jeder sich deshalb solche Sorgen?«
»Weil es wichtig ist, Ce'Nedra. Nicht einmal du kannst so dumm sein, um…« Er unterbrach sich und starrte ungläubig auf den Korb in Garions Hand. »Wo hast du denn die her?« fragte er scharf.
»Ich glaube nicht, daß du das wirklich wissen willst, Ran Borune. Es gehört offenbar zu den Dingen, die Tolnedrer aus irgendeinem Grund zutiefst beunruhigen.«
»Du hast sie doch nicht einfach gemacht, oder?« erkundigte sich der Kaiser mißtrauisch.
»Nein, so leicht war das wahrhaftig nicht. Ich mußte den Bäumen in deinem Garten gut zureden und ihnen Mut machen. Dann waren sie sehr hilfsbereit.«
»Was hast du doch für einen großartigen Burschen geheiratet, Ce'Nedra!« lobte Ran Borune und beäugte die Kirschen hungrig. »Stell sie hierher, mein Junge.« Er tupfte neben sich auf das Bett.
Ce'Nedra schenkte ihrem Mann ein strahlendes Lächeln. Sie nahm ihm den Korb ab und stellte ihn auf die Bettkante. Fast geistesabwesend schob sie sich eine Kirsche in den Mund.
»Ce'Nedra! Hör sofort auf, meine Kirschen zu essen!«
»Ich wollte mich bloß vergewissern, daß sie reif sind, Vater.«
»Jeder Idiot kann sehen, daß sie reif sind!« Besitzergreifend drückte er den Korb an sich. »Wenn du welche willst, dann laß welche für dich besorgen!« Sorgfältig wählte er eine der festen, glänzend roten Kirschen aus und steckte sie in den Mund. »Köstlich!« Er kaute glücklich.
»Spuck doch die Kerne nicht auf den Boden!« rügte Ce'Nedra.
»Gerade das macht richtig Spaß. Schließlich ist es mein Boden!« entgegnete er. »Kümmere du dich um deinen eigenen Kram.« Er aß noch ein paar Kirschen. »Wir wollen nicht darüber reden, wie du daran gekommen bist, Garion«, sagte er großmütig. »Eigentlich ist es gegen das tolnedrische Gesetz, irgendwo im Reich Zauberei auszuüben, aber wir wollen dieses eine Mal wenigstens darüber hinwegsehen.«
»Vielen Dank, Ran Borune«, sagte Garion trocken. »Ich weiß deine Großmut zu würdigen.«
Nachdem der Kaiser mit viel Genuß etwa den halben Korb geleert hatte, lächelte er und seufzte zufrieden. »Jetzt fühle ich mich viel besser. Ce'Vanne brachte mir auch immer Kirschen, in so einem ähnlichen Körbchen.«
»Meine Mutter«, erklärte Ce'Nedra Garion.
Ran Borunes Augen verschleierten sich. »Sie fehlt mir«, gestand er leise. »Es war unmöglich, mit ihr auszukommen, trotzdem
Weitere Kostenlose Bücher