Malloreon 2 - König der Murgos
es zu dieser Unstimmigkeit?«
»Meine Königin…« Sariss riß den Mund weit auf, und sein kreideweißes Gesicht erstarrte vor Furcht.
Der immer noch zitternde Adiss stand auf und wilde Hoffnung leuchtete aus seinen Augen. Er hielt das Dokument in seiner Hand hoch und drehte sich zu seinen rotgewandeten Brüdern um, die vor dem Thronpodest knieten. »Seht!« rief er mit triumphierender Stimme. »Seht hier den Beweis der Missetat des Obereunuchen!«
Die anderen Eunuchen blickten zuerst auf Adiss, dann auf den panikerfüllten Obereunuchen. Verstohlen versuchten sie, den rätselhaften Gesichtsausdruck Salmissras zu deuten. »Ah!« hauchten sie schließlich alle im Chor.
»Ich warte, Sariss«, wisperte die Schlangenkönigin.
Sariss aber sprang plötzlich auf und sauste, in tierischer Angst quiekend, zur Tür. So schnell seine unerwartete Flucht auch war, Issus war flinker. Der einäugige Meuchler schoß dem Fettwanst nach, und sein Dolch sprang ihm scheinbar von selbst in die Hand. Mit der anderen packte er den Obereunuchen am Kragen und riß ihn hoch. Dann hob er seinen Dolch und blickte Salmissra fragend an.
»Noch nicht, Issus«, hielt sie ihn zurück. »Bringt ihn zu mir.«
Issus zerrte den sich wehrenden Gefangenen zum Thron. Sariss wimmerte und winselte panikerfüllt, und seine Füße schleiften über den Boden.
»Ich verlange eine Antwort von Euch, Sariss!« zischelte Salmissra.
»Sprecht!« forderte ihn Issus tonlos auf und setzte die Dolchspitze an das untere Augenlid des Obereunuchen. Dann drückte er leicht, bis Blut über die Wange des Fetten sickerte.
Sariss quiekte und stammelte: »V-verzeiht mir, Eure Majestät. Der Malloreaner Nadaras zwang mich dazu.«
»Wie habt Ihr es gemacht, Sariss?« fragte die Schlangenkönigin unerbittlich.
»I-ich setzte das Siegel ganz unten auf das Pergament, göttliche Salmissra. Als ich dann allein war, fügte ich die anderen Anweisungen hinzu.«
»Und gibt es noch weitere Orders?« fragte Polgara ihn. »Werden wir auf Zandramas Fährte auf Hindernisse und Fallen stoßen?«
»Nein. Ich erteilte keine anderen Anweisungen, außer daß Zandramas zur murgosischen Grenze geleitet werde und die Karten erhalte, die er benötigte. Ich flehe Euch an, Eure Majestät, vergebt mir.«
»Das ist unmöglich, Sariss!« zischte sie. »Ich hatte beabsichtigt, mich aus dieser Sache zwischen Polgara und Zandramas herauszuhalten, doch nun bin ich darin verwickelt, weil Ihr mein Vertrauen mißbraucht habt!«
»Soll ich ihn töten?« fragte Issus ruhig.
»Nein, Issus«, erwiderte sie. »Ich werde Sariss küssen, wie es in einem solchen Fall bei uns üblich ist.« Sie blickte den Einäugigen nachdenklich an. »Ihr seid ein interessanter Mann, Meuchler. Hättet Ihr Lust, in meine Dienste zu treten? Ich bin sicher, daß sich ein Posten für jemanden mit Euren Talenten finden läßt.«
Adiss, der Eunuch, schnaufte hörbar und wurde blaß.
»Aber, Eure Majestät«, protestierte er und sprang auf. »Eure Diener waren immer Eunuchen, und dieser Mann ist…« Er stockte, als ihm plötzlich bewußt wurde, was er sich hier mit seiner Unbesonnenheit erlaubte.
Salmissra durchbohrte ihn mit ihrem Blick, und er sank totenbleich zurück auf den Boden. »Ihr enttäuscht mich, Adiss!« wisperte sie. Dann wandte sie sich wieder dem Einäugigen zu. »Nun, Issus? Ein Mann von Euren Fähigkeiten kann es an meinem Hof weit bringen. Und der kleine Eingriff ist schmerzlos, wie man mir versicherte. Ihr würdet Euch rasch erholt haben, und dann könnt Ihr in meine Dienste treten.«
»Ah – ich fühle mich geehrt, Eure Majestät«, antwortete er vorsichtig, »doch ich ziehe es vor, mehr oder weniger intakt zu bleiben. Für mein Handwerk benötige ich eine gewisse – ah – Schärfe. Die möchte ich lieber nicht durch einen solchen – ah – Eingriff gefährden.«
»Ich verstehe.« Sie schwang flüchtig den Kopf zu dem sich ängstlich duckenden Adiss herum, dann blickte sie wieder den Meuchler an. »Ich fürchte jedoch, Ihr habt Euch heute einen Feind gemacht – einen, der eines Tages sehr mächtig werden könnte.«
Issus zuckte die Schultern. »Ich hatte schon viele Feinde«, antwortete er. »Ein paar davon leben sogar noch.« Er bedachte den verängstigten Adiss mit einem harten Blick. »Doch wenn Adiss die Sache weiterverfolgen möchte, können er und ich ja eines Tages unter drei Augen darüber sprechen – oder vielleicht lieber eines Nachts, wenn wir mit unserer Unterhaltung niemanden
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