Malloreon 5 - Seherin von Kell
gegeneinander kämpften. Doch wo war der andere? Wie konnte die Menschheit wählen, wenn nur einer der Geister zu ihr kam? Da war es, daß wir unsere schreckliche Verantwortung erkannten. Die Geister würden zu uns kommen, jeder zu seiner Zeit, und jeder würde verkünden, daß er gut und der andere böse war. Es war jedoch der Mensch, der wählen würde. Und aufs neue berieten wir uns und beschlossen, die Formen der Verehrung anzunehmen, welche die Grolims uns so aufdrängten. Das würde uns die Möglichkeit geben, das Wesen des Drachengottes zu erforschen, und wir würden dadurch besser auf die Wahl vorbereitet sein, wenn der andere Gott erschien.
Im Laufe der Zeit drangen die Ereignisse der Welt bis zu uns. Die Angarakaner verbündeten sich mit den großen Städtebauern des Ostens, die sich Melcener nannten, und gemeinsam erschufen sie ein Reich, das die Kontinente überspannte. Nun waren die Angarakaner Tuer von Taten, und die Melcener Durchführer von Aufgaben. Ist eine Tat erst getan, ist sie es für immer, eine Aufgabe dagegen kehrt jeden Tag wieder, und die Melcener kamen zu uns, um jene auszuwählen, die ihnen bei ihrer endlosen Aufgabe helfen mochten. Nun trug es sich zu, daß einer unserer Sippe, der den Melcenern half, Gelegenheit hatte, im Zuge der Ausführung einer dieser Aufgaben gen Norden zu reisen. Und er gelangte zu einem Ort namens Ashaba, wo er Zuflucht vor einem Gewitter suchte. Und der Herr des Hauses in Ashaba war weder Grolim noch Angarakaner noch überhaupt ein Sterblicher. Unser Bruder war ungeahnt zum Hause von Torak gekommen. Nun war Torak neugierig, wie es mit unserem Volk aussah, und Er sandte nach dem Reisenden. Unser Bruder begab sich zu dem Drachengott. Und in dem Augenblick, da er das Antlitz Toraks erschaute, endete das Dritte Zeitalter, und das Vierte Zeitalter begann. Denn wisset, der Drachengott von Angarak war nicht einer der Götter, auf die wir warteten. Die Zeichen an Ihm wiesen nicht über Ihn hinaus, und unser Bruder sah sogleich, daß Torak dem Untergang geweiht und alles, was Er war, mit Ihm sterben würde.
Und da erkannten wir unseren Fehler, und wir staunten, daß wir es nicht gesehen hatten – daß selbst ein Gott nur das Werkzeug der Bestimmung sein konnte. Denn wisset, Torak war Teil einer der beiden Bestimmungen, doch er war nicht die ganze Bestimmung. Nun begab es sich, daß auf der anderen Seite der Welt ein König gemordet wurde und seine ganze Familie mit ihm – außer einem. Und dieser König war der Hüter eines der beiden Steine der Macht gewesen, und als die Kunde Torak zugetragen wurde, frohlockte Er, denn Er glaubte, ein Erzfeind sei nicht mehr. Da traf er Seine Vorbereitungen für einen Krieg gegen die Reiche des Westens. Doch die Zeichen am Himmel und das Wispern der Steine verrieten uns, daß es nicht so war, wie Torak glaubte. Der Stein wurde immer noch bewacht, und die Erbfolge des Hüters war nicht unterbrochen. Toraks Krieg würde Ihm Verderben bringen.
Die Vorbereitungen des Drachengottes währten lange, und die Aufgaben, die Er seinem Volke auferlegte, waren Aufgaben für Generationen. Und ebenso wie wir beobachtete Torak den Himmel, um die Zeichen zu lesen, die Ihm sagen sollten, wann die Zeit gekommen war, gen Westen zu ziehen. Doch Torak hielt nur Ausschau nach Zeichen, die Er sehen wollte, und Er las nicht die ganze Botschaft, die am Himmel geschrieben stand. Und da er nur einen kleinen Teil der Zeichen gelesen hatte, ließ er seine Truppen am ungünstigsten Tag ausrücken.
Und, wie wir es vorhergesehen hatten, suchte das Unglück Toraks Heerscharen auf einer weiten Ebene heim, die vor der Stadt Vo Mimbre im fernen Westen lag. Und der Drachengott wurde in Schlaf gebannt, bis Sein Feind kommen würde.
Zu der Zeit erreichte uns ein Wispern von einem neuen Namen.
Das Wispern dieses Namens wurde klarer, und am Tag seiner Geburt schwoll das Wispern zu einem gewaltigen Ruf an. Belgarion der Gottbezwinger war endlich gekommen.
Nun beschleunigte sich der Lauf der Begebnisse, und der Sturm auf die furchtbare Begegnung zu wurde so schnell, daß die Seiten des Buches des Himmels vor den Augen verschwammen. Und dann, an jenem Tag, den die Menschen als den Tag feiern, da die Welt erschaffen wurde, übergab man Belgarion den Stein der Macht; und in dem Augenblick, da seine Hand sich um ihn schloß, füllte das Buch des Himmels sich mit ungeheurem Licht, und Belgarions Name schallte vom fernsten Stern.
Und dann spürten wir, wie Belgarion sich mit
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