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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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mitgebracht, Käsewürfel geschnitten und Salzstangen hineingesteckt. Alles war auf einer Porzellanplatte drapiert, als wollte sie eine Party ausrichten. Georg hatte nicht einschlafen wollen, er lag still, wenn Birgit ihn streichelte, und schaute mit offenen Augen in die Dunkelheit. Sobald sie aus dem Zimmer schlich, wimmerte er. Birgit H. war immer wieder in sein Zimmer geeilt, bis die Mutter dem einen Riegel vorschob, dieses Theater, das Kind kommt doch nicht zur Ruhe, mach die Tür zu und lass ihn schreien, dann wird er schon müde werden. Birgit H. saß auf der Stuhlkante und lauschte, und immer, wenn sie sich halb erhob, weil Georgs Wimmern zu einem Geschrei anschwoll und ihr ins Blut drang und ihren Herzschlag beschleunigte, drückte die Mutter sie wieder auf den Stuhl, bis sie sich schließlich eine Zigarette anzündete. Die Mutter wedelte den Rauch hin und her und erinnerte an die Gardinen, die nicht nur Schmutz sehr schnell aufnehmen, sondern auch Rauch, das stinkt dann wie in einer Spelunke, aber das war Birgit H. egal, entweder man ließ sie zu Georg, oder sie rauchte.
    An diesem Abend, an dem unzählige schreiende Kleinkinder, Liebhaber, aber auch Rudi Carrell, Fieberanfälle, Ehestreitereien und andere Herzensangelegenheiten für erhöhten Puls sorgten, saßen Rudi H. und Stefanie Ü., unruhig und linkisch, beim Italiener und aßen Pizza. Zum ersten Mal unterhielten sie sich ausführlicher, ein schwieriges Unterfangen, weil sie nichts voneinander wussten und sehr viel lieber unbekleidet im Materialkeller gelegen hätten, aber der war ihnen versperrt, und auch das Gespräch war ihnen erschwert, weil sie es nicht geübt hatten und Rudi seinen Fuß gegen Stefanies Wade drückte, und einen Wein hatten sie auch schon getrunken, einen roten, der sich als dunkler Rand auf Stefanies Oberlippe abgesetzt hatte. Seit dem Anstoßen duzten sie sich, versprachen sich ständig, aber es war auch ein Vergnügen, es barg das Versprechen einer noch größeren Vertrautheit, als wenn wirklich etwas Neues begänne.
    Nun lernen wir uns einmal kennen.
    Aber es geht nicht, wir dürfen das nicht.
    Stefanie, sagte Rudi, es weiß niemand davon. Stefanie erinnerte an den Filialleiter, aber der zählte nicht, noch waren sie unter sich, sie könnten auch ausreißen, meine Eltern, sagte Stefanie, wenn die nur wüssten. Sie sahen sich verlegen in die Augen, den Weinrand wollte Rudi unbedingt noch abschlecken heute Abend, das war wohl drin, da beugte sich Stefanie über den Tisch und sagte etwas, das alles schon wieder gründlich durcheinanderbrachte. Der Wein und Rudis drängender Fuß an ihrem Knöchel, und nun auch seine Hand, die unter der Tischplatte zu ihr herübertastete, und der ungestüme Wunsch nach etwas Lautem, Frischem, Echtem ließen sie alle Vorsicht vergessen.
    Niemand weiß davon, sagte sie, und ich warte doch schon auf meine Regel, vielleicht bin ich ja in guter Hoffnung, und sie errötete tief und kicherte ein wenig, weil es wirklich einen Augenblick lang wie eine gute Hoffnung erschien. Der Augenblick dauerte an, bis sie in Rudis Gesicht schaute.
    Nein, sagte er, das kann nicht sein. Sie wusste nicht, wieso er sich da so sicher sein konnte, sie kannte sich ja auch nicht aus, aber die vielen Kellerstündchen würden doch wohl genügen, um ihr ein Kind zu schenken.
    Ich weiß ja nicht, tuschelte sie beschwichtigend, es muss ja nicht sein, ich wollte es Ihnen, ich wollte es ja nur sagen, dir sagen. Rudi saß starr über den Pizzaresten. Eine kalte Angst fuhr ihm in die Glieder, und er wusste schon, bevor er es sagte, dass dies das Ende ihrer Vergnügungen war.
    Das geht nicht. Ich bin ein verheirateter Mann.
    Ich weiß doch, sagte sie beklommen, faltete die Serviette und legte sie neben den Teller, sie würden nichts mehr essen. Hätte sie nur nichts gesagt. Und nun stieg ihr etwas in die Kehle, eine erbärmliche Verlassenheit, sie sah den Abschied, noch bevor er es sagte, und mehr noch: Sie ahnte Weh und einsame Monate und Unannehmlichkeiten, die sie sich nicht vorzustellen vermochte.
    Eins ist klar, sagte Rudi und wunderte sich über die plötzliche Kühle und Entschlossenheit, mit der er nun zu Fräulein Ü. sprach, niemand darf jemals etwas erfahren. Niemals, verstehen Sie. Auf einmal wusste er genau, was zu tun war, ein ungewohnter, nicht unangenehmer Zustand. Er zog seinen

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