Manche moegen's Kowalski
1. KAPITEL
Mitch Kowalski hatte sechzig Meilen pro Stunde auf dem Tacho, als er das große Ortsschild passierte, das die Besucher von Whitford willkommen hieß. Mitch wagte es nicht, die freundliche Begrüßung mit einem ebenso freundlichen Lächeln zu erwidern. In den Abendstunden auf einer Harley Davidson sitzend den Mund zu öffnen, brachte die Gefahr mit sich, eine Ladung Fliegen zu verschlucken.
Er war wieder zu Hause. Na ja, noch nicht ganz. Angekommen war er erst, wenn er die Maschine am Ende der langen Auffahrt von der Ferienpension abgestellt hatte, die sich Northern Star Lodge nannte. So ungeduldig er diese Ankunft auch erwartete, drosselte er doch das Tempo, sobald er die erste Ampel auf der Main Street erblickte.
Drei Jahre war es her, seit er seine Heimatstadt in Maine das letzte Mal besucht hatte. Trotzdem hätte er die Strecke durch die Stadt immer noch mit geschlossenen Augen fahren können. Es ging an der Post vorbei, wo er seinen ersten bezahlten Job gehabt hatte, den er auch bald darauf wieder los gewesen war, weil er die Playboyhefte vom alten Farr erheblich fesselnder fand, als Stromrechnungen in die Fächer zu sortieren. Dann kam der Whitford Supermarkt mit der Tankstelle davor, der Fran und Butch Benoit gehörte. Mit deren Tochter war er auf den Abschlussball vom Junior Year gegangen. Der Abend endete damit, dass sie es im Stehen an der Tafel in einem leeren Klassenzimmer gemacht hatten.
Mitch nahm den Gang heraus und ließ die Maschine vor der Kreuzung der beiden Hauptstraßen langsam ausrollen. Zur Linken befanden sich zwei Reihen alte Backsteinhäuser, in denen die Stadtverwaltung, die Bank und eine Anzahl kleinerer Firmen residierten. Auf der rechten Seite lag die Polizeistation, die die Kowalski-Brüder als Jugendliche mehr als einmal von innen gesehen hatten, und die Bücherei, ein ergiebiger Jagdgrund für die Burschen von Whitford auf der Pirsch nach hübschen Mädchen, um diese von ihren Algebrahausaufgaben wegzulocken.
Ja, es war gut, wieder daheim zu sein, auch wenn bereits alles geschlossen hatte. Wer etwas in der Stadt zu besorgen hatte – das wussten alle hier –, sollte es besser noch vor den Abendnachrichten erledigen.
Mitch überquerte gerade die Kreuzung, da fiel ihm nur ein kurzes Stück weiter der alte Diner ins Auge. Genauer gesagt war es das hell erleuchtete Reklameschild vor dem ehemaligen Burgerrestaurant. Das letzte Mal, als er hier vorbeigekommen war, war der Laden noch zu gewesen. Der damalige Besitzer hatte das Geschäft aufgegeben, was nicht nur an der allgemeinen wirtschaftlichen Flaute gelegen hatte, sondern auch daran, dass er sich nicht besonders engagiert um sein Unternehmen gekümmert hatte. Jetzt prangte ein neuer Name auf dem Schild. Auf dem Parkplatz standen ein paar Wagen, und ein roter Neonschriftzug im Fenster verkündete, das geöffnet war.
Mitch merkte, dass ihm der Magen knurrte, und lenkte seine Harley auf den Parkplatz. Josh, sein jüngster Bruder, erwartete ihn nicht – es sei denn, die Pakete mit der Kleidung und ein paar anderen Sachen, die Mitch vorausgeschickt hatte, waren schon angekommen – und hatte wahrscheinlich längst zu Abend gegessen. Da Mitch keine große Lust hatte, sich irgendwelche Reste zusammensuchen zu müssen, entschloss er sich, einen Happen im Diner zu sich zu nehmen, bevor er weiter zur Lodge fuhr.
Was ihm als Erstes auffiel, als er den Laden betrat, war der Fünfzigerjahrestil, in dem der Diner eingerichtet worden war: viel rotes Vinyl und Marmorfliesen in Schwarz-Weiß. Das Zweite, das ihm sofort ins Auge stach, war die Frau hinter dem Tresen – eine Frau, die er noch nie in Whitford gesehen hatte, was sehr ungewöhnlich war.
Mitch schätzte sie auf ungefähr dreißig, also etwa sieben Jahre jünger als er. Sie hatte ihre braunen Haare zu einem lockeren Knoten zusammengesteckt, so als warte sie nur darauf, dass ihr jemand die Haarnadeln herauszog, um ihn zu lösen. Ihre ansehnlichen Kurven wurden von einer Jeans und einem T-Shirt mit der Aufschrift Trailside Diner verhüllt. Und zu guter Letzt registrierte Mitch, dass er weder einen Ehering noch einen verräterischen hellen Streifen auf der sonnengebräunten Haut ihres Ringfingers entdecken konnte.
Dafür erblickte er ein Plastikschild auf ihrer äußerst ansehnlichen linken Brustseite. Namensschilder waren in einer Stadt, in der die ersten Beziehungen im Laufgitter geknüpft und im Kindergarten vertieft wurden, ebenfalls eine Rarität. Während er auf
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