Manchmal muss es eben Mord sein
ihr ein frisches Glas und füllte es mit einem schimmernden Burgunder.
»Was für ein Glück, dass ich heute nicht mit dem Auto da bin«, meinte Elfie, als sie den Wein in Empfang nahm. »Vielen Dank für den wunderschönen Abend«, fügte sie hinzu und stieß mit Paul-Friedrich an.
»Er ist hoffentlich noch nicht zu Ende.« Paul-Friedrich schien verlegen. »Ich habe noch eine kleine Überraschung für Sie.«
Er griff in seine Jackentasche, holte einen Bogen Papier hervor und drückte ihn Elfie in die Hand.
»Für mich?«, fragte sie überrascht.
Für Elfie stand als Überschrift da, es folgte – in akkurater Handschrift – ein Gedicht, das Paul-Friedrich offenbar eigens für sie geschrieben hatte.
Am Waldesrand die Schatten fliehn.
Am Himmel Wolken fernwärts ziehn …
Das war wirklich hübsch, auch wenn es natürlich kein Eichendorff war. Paul-Friedrich blickte sie erwartungsvoll an.
»Vielen Dank! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, brachte Elfie mit einem unsicheren Lächeln hervor.
Paul-Friedrichs Wangen färbten sich jetzt rosa.
»Ich dachte, Sie könnten es Ihrem Ewigen Quell hinzufügen«, sagte er leise, sah sie dabei nicht an.
Paul-Friedrichs Gedicht in ihrem Ewigen Quell, in dem auf der ersten Seite eine Widmung von Ludwig stand? Nun, warum eigentlich nicht? Paul-Friedrich sprach wenigstens mit ihr. Auch hatte er sie noch nie enttäuscht. Doch sie wollte nichts überstürzen.
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte sie feierlich.
»Natürlich. Ich möchte Sie nicht bedrängen. Aber es wäre mir eine Ehre.« Unbeholfen nahm Paul-Friedrich Elfies Hand. »Wirklich eine große Ehre.« Dann ließ er sie wieder los und sah betreten zu Boden.
Elfie faltete das Papier zusammen und verstaute es sorgfältig in ihrer Handtasche. Sie trank noch einen Schluck Rotwein und erhob sich dann. Paul-Friedrich half ihr in die Jacke und begleitete sie zur Bushaltestelle. Keiner sprach ein Wort, doch es war ein angenehmes Schweigen.
»Es war wirklich ein sehr schöner Abend«, bedankte sich Elfie und drückte Paul-Friedrichs Hand, bevor sie in den Bus stieg.
Paul-Friedrich stand unter der Laterne und winkte ihr nach. Zum ersten Mal bereute es Elfie, dass sie ihn so auf Distanz halten musste. Zum ersten Mal verspürte sie das Bedürfnis, Paul-Friedrich ihr Herz auszuschütten.
Das hatte Ludwig jetzt davon.
23 Auf Zehenspitzen schlich Alex an der geöffneten Esszimmertür vorbei, um der morgendlichen Begegnung mit Lydia zu entgehen. Doch vergebens.
»Alexandra, komm bitte. Thea ist noch nicht da. Du musst mir das Frühstück herrichten. Ohne mein gewohntes Frühstück bin ich den Anforderungen des Tages nicht gewachsen.«
Alex machte auf dem Absatz kehrt, seufzte leise und ging ins Esszimmer.
»Guten Morgen, Lydia! Thea verspätet sich doch sicher nur um ein paar Minuten. Wenn sie krank wäre oder sonst irgendwie verhindert, hätte sie angerufen. Vielleicht geduldest du dich einfach ein wenig.«
»Ich könnte ja vielleicht noch warten, aber Amadeus braucht unbedingt sein Leberwurstbrot. Er sieht schon halb verhungert aus.«
Alex betrachtete den fetten Mops, der vor Anstrengung hechelte, obwohl er sich nur auf Lydias Schoß umgedreht hatte, damit er besser an die Pralinen kam, mit denen er gefüttert wurde. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Alex in die Küche, bestrich zwei Scheiben Toastbrot mit Leberwurst und brachte den Teller ins Esszimmer. Lydia zog die Augenbrauen hoch.
»Nicht einmal kleingeschnitten hast du das Brot für meinenSchatz. So, jetzt will ich auch nicht länger auf mein Frühstück warten.«
»Aber ich habe keine Zeit mehr. Ich muss dringend zum Dienst«, protestierte Alex halbherzig.
»Wenn du noch nicht einmal für die einfachsten Dinge im Haus Zeit hast, dann gib doch deinen Job auf. Früher waren Frauen auch nicht berufstätig. Sie haben sich um Wohl und Wehe der Familie gekümmert und waren damit zufrieden.«
In aller Eile stellte Alex das Frühstück zusammen.
»Guten Appetit!« Damit war sie schon halb auf der Treppe, ignorierte Lydias Nörgeln: »Du hast die Milch verschüttet. Wie unappetitlich! Und wer geht gleich mit meinem Liebling Gassi?«
Alex zog sich für ein paar Minuten in ihr Schlafzimmer zurück. Ihr Blick fiel auf Huberts Foto auf ihrem Nachtschränkchen. Warum musste er auch so weit weg sein, warum kümmerte er sich um diese seelenlosen Regenwürmer im Regenwald – oder hatten etwa Regenwürmer eine Seele? Warum überließ er sie den
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