Manchmal muss es eben Mord sein
ernst gemeint. Haben Sie denn heute schon Ihre Eltern gegossen?«
Die Kommissarin lachte, ging auf Elfie zu und gab ihr die Hand.
»Ja, ich habe schon kräftig gegossen. Und um ehrlich zu sein, war ich doch ein bisschen neugierig, wen Sie so regelmäßig besuchen.« Sie warf einen Blick auf den Grabstein.
»Ludwig Obermeyer ist mein Verlobter, meine große Liebe.« Elfie sah, dass die Augen der Kommissarin sich weiteten. Wahrscheinlich, weil sie von Ludwig in der Gegenwart sprach, obwohl er doch schon seit so vielen Jahren tot war. Aber ich fühle mich eben immer noch mit ihm verlobt, dachte Elfie trotzig.
»Er ist ja nur dreißig Jahre alt geworden. War es ein Unfall?«, fragte die Kommissarin
»Das ist eine furchtbare Geschichte. Ich spreche nicht gern darüber. Aber es ist immer schrecklich, einen geliebten Menschen zu verlieren, nicht wahr? Wie war das denn bei Ihnen?«
»Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben«, sagte die junge Frau leise. Offenbar war der Schmerz über den Verlust immer noch groß.
Elfie nahm ihre Hand und tätschelte sie.
»Mein liebes Kind, es ist immer schwer für diejenigen, die zurückbleiben. Vor allem für ein Kind. Wie alt waren Sie?«
Elfie setzte sich mit der Kommissarin auf die Bank gegenüber Ludwigs Grab.
»Ich war erst zehn«, brach es aus der jungen Frau heraus. »Es war Winter, die Straßen waren eisglatt. Der Wagen kamins Schleudern und prallte vor einen Baum. Sie waren beide sofort tot. Jedenfalls hat man mir das erzählt. Ich kam aus der Schule, und sie waren einfach nicht mehr da.«
Elfie strich ihr tröstend über den Rücken. Dann sagte sie: »Das Leben kann zuweilen sehr ungerecht sein. Und meistens trifft es die Unschuldigen. Aber wir müssen dagegen ankämpfen. Ich bin sicher, Ihre Eltern wären heute sehr stolz auf Sie.«
Die Kommissarin lächelte und wischte sich verstohlen über die Augen.
»Und wie ging es dann weiter für Sie?«, wollte Elfie wissen.
»Ich bin bei meinem Großvater und meinem Onkel aufgewachsen. Das heißt, eigentlich war ich da nur in den Ferien. Die meiste Zeit habe ich in einem Internat verbracht.«
»Na, das klingt ja nicht gerade nach einer fröhlichen Jugend. Ich hoffe, dass es Ihnen wenigstens jetzt gut geht.« Elfie tätschelte wieder die Hand der jungen Frau.
Die zuckte mit den Schultern.
»Toll ist es im Augenblick nicht gerade.« Sie sah Elfie an, zögerte einen Moment, und dann sprudelte es aus ihr heraus. »Mein Freund ist auf einer Forschungsreise am Amazonas. Er untersucht eine besondere Art Regenwürmer im Regenwald, während seine Tante und ihr Hund, mit denen ich gezwungenermaßen unter einem Dach lebe, mir den letzten Nerv rauben. Und mein Chef bei der Kripo hackt auch nur auf mir rum.« Sie schnitt eine Grimasse.
»Ach, Sie Ärmste! Aber das wird schon wieder.« Elfie lächelte der Kommissarin aufmunternd zu, sah dann verstohlen auf ihre Armbanduhr.
»Oh, Frau Ruhland, jetzt habe ich Sie aufgehalten. Nur noch kurz eine berufliche Frage zum Unfall bei der Sekuranz:Sie hatten mir gar nicht erzählt, dass Sie am Dienstag gegen zwei Uhr oben im Aufenthaltsraum waren.«
Elfie spürte, wie sie errötete. »Ich war ein wenig durcheinander. Deswegen habe ich wohl nicht daran gedacht. Außerdem war ich kaum oben und hatte ein paar Worte mit Jenny gewechselt, als schon die Sirene ging.«
»Jenny Lehmann war also schon vor Ihnen oben?«
»Ja, sie saß im Aufenthaltsraum, als ich hochkam.« Elfie stand auf und nahm ihre Sachen. »Jetzt muss ich aber wirklich los. Sonst komme ich zu spät zu meiner Gruppenstunde. Aber Sie haben mich keinesfalls aufgehalten, meine Liebe. Ganz im Gegenteil, ich fand es sehr nett, dass wir uns unterhalten haben.«
Elfie reichte der jungen Frau zum Abschied die Hand.
»Wenn Sie mal wieder das Bedürfnis zum Reden haben, jetzt wissen Sie ja ganz genau, wo Sie mich finden. Und dann besprechen wir auch die neue Bepflanzung.«
Sie winkte noch einmal, verschwand dann schnell in Richtung Ausgang. Jetzt hatte sie der Kommissarin noch ein Rätsel aufgegeben. Gruppenstunde. Ob die nun wohl dachte, dass sie noch bei den Pfadfindern wäre? Elfie grinste in sich hinein. Sollte sie es doch herausfinden. Wozu war sie schließlich bei der Polizei?
24 »Ja, bitte?«
Alex drückte die Klinke zu den Büroräumen von Helene Windisch herunter und trat ein. Das Vorzimmer war leer. Alex sah sich um. Ein sparsam eingerichteter Raum. Ein großer gläserner Schreibtisch mit einem schicken Computer
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