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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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kleine Wohnung in Altona. Nach der Trennung von meiner Mutter und Martin – ich war zehn – fiel ich in ein schlimmes Loch, weil meine Mutter ständig unterwegs war. Sie sagt, auf Drehs, ich sage, in Bars. Sie ließ mich alleine zu Hause sitzen in ihrem kleinen Zweizimmerapartment. Ich hab Schredder ganz fürchterlich vermisst, weil er so ein liebevoller Papa war, ganz im Gegensatz zu meiner Mutter. Als sie eines Abends angetrunken nach Hause kam und ich mir die Augen ausheulte, weil mein gesamtes Leben in Scherben lag, bekam sie einen Wutanfall und schrie mich an, dass Martin noch nicht einmal mein echter Vater sei, ich bräuchte jetzt hier nicht auszuflippen. Kann man sich ja vorstellen, wie das bei einer emotional völlig heruntergewirtschafteten Zehnjährigen ankommt. Wir lieferten uns eine Art Prügelei, in der ich sie mit einem Küchenmesser zwang, mir zu sagen, wer mein richtiger Vater ist.«
    Unfassbar, wie das junge, süße Sommersprossending eine Monstrosität wie die Bedrohung der eigenen Mutter mit dem Messer heruntererzählte wie einen Schwank aus der Jugend.
    »Danach lief ich weg zu Martin, und seitdem wohne ich da, und meine Mutter hat nie versucht, mich zurückzuholen. Ich habe nach einer Weile angefangen, sie einmal die Woche zu besuchen, und ich tu es immer noch. Mittlerweile wohnt sie in der Elbchaussee in der Wohnung vom Jo, ihrem zweiten Mann. Der hat eine Produktionsfirma. An die zweite Frau von Martin, die Irina, habe ich mich gut gewöhnt, die wird keinen Nobelpreis mehr in ihrem Leben gewinnen, aber sie hat das Herz auf dem rechten Fleck. Meine Mutter hat sich im Prinzip von mir abgewendet. Ich glaube, ich erinnere sie immer noch zu sehr an Leo, der – auch wenn sie es nicht zugeben will – immer ihre große, lebensbedrohende Liebe war.«
    »Aber warum bist du nach dem Streit mit dem Messer nicht sofort zu deinem echten Vater, also dem Til … – dem Leo?«, fragte ich.
    »Wo denkst du hin, Sigi? Das ist einfach zu viel für mich gewesen. Dass Leo mein richtiger Vater ist, das war zu viel Information zu dem Zeitpunkt. Ich musste diese schreckliche Nacht und die Prügelei verdrängen, und damit verdrängte ich auch, dass Schredder nicht mein echter Vater war, sondern eben Leo. Ich kannte Leo ja auch überhaupt nicht. Der war eher wie ein lustiger Onkel, dessen vertraute Albernheiten einem nicht gänzlich unangenehm, aber immer ein bisschen unheimlich waren. Und dann sein überdimensionales Selbstbewusstsein, das verunsichert einen als Kind.«
    »Wenn man genau hinschaut, siehst du ihm schon ähnlich. Die Augen«, sagte der Mandel jetzt fast andächtig, während er Lana beim Autofahren beobachtete.
    »Nur wenn man’s weiß. Mit sechzehn hab ich das mit den Augen auch festgestellt, als auf MTV ein Video von DEMO kam. Es war ›Freddie Krieger‹, ich weiß es noch. Ich hab wie ein Roboter eine Tasche gepackt und bin mit der Bahn alleine zum Leo gefahren. Ich klingelte einfach so ohne Vorwarnung, und dann erzählte ich ihm alles. Er war wirklich völlig ahnungslos und verständlicherweise völlig aus den Angeln. Es war ja das erste Mal, dass er Vater wurde. Aber er hat sich dann schnell unglaublich gefreut, das werde ich nie vergessen.«
    Jetzt hatte sie doch Tränen in den Augen. Ich legte von hinten meine Hand auf ihre Schulter. Der Mandel schaute nur teilnahmslos zur Windschutzscheibe hinaus.
    »Eigentlich haben wir uns in einem familiären Sinne an dem Wochenende gleich ineinander verliebt. Er hat dann ziemlich bald dieses Haus in Binz gekauft, was zu unserem gemeinsamen Treffpunkt wurde, wo wir uns, sooft es ging, heimlich sahen und so eine Art Familienleben nachholten. Weder Martin noch meine Mutter noch die Malleck wussten von dem Haus. Nur Danny kennt es. Allerdings hatte Leo langfristig immer vor, unsere Verwandtschaft öffentlich zu machen. Er hat auch das Gespräch mit meiner Mutter gesucht, aber die hat ihn nur abgewiesen.«
    »Aber wenn du beim Leo warst, ist da die Malleck nicht misstrauisch geworden?«, fragte ich.
    »Ich war ja nur genau einmal bei Leo. Das erste Mal. Danach haben wir uns woanders getroffen und später nur noch in Binz. Traurig, oder? Und die Malleck war an dem Abend nicht zu Hause gewesen. Die war ja ohnehin nie zu Hause. Und Leo hat ihr auch nichts erzählt, weil er sie nicht kränken wollte, hat er gesagt. Weil sie doch selbst so gerne Kinder mit ihm gehabt hätte. Wobei ich nicht ganz sicher bin, ob man der Malleck einen Familiensinn glauben kann. Da
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