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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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das ist schon das große Abschiedskonzert?«, fragte ich.
    »Angeblich«, sagte Lana.
    »Warum in Hamburg?«
    »Weil sie da gewohnt haben, als sie mit Kellerkinder den ersten großen Erfolg hatten. Das war doch die legendäre Band- WG , die von der Polizei hochgenommen wurde.«
    Klar, dass der Mandel jetzt die Augen verdrehte, weil Allgemeinbildung in seinen Augen.
    »Weiß der Schredder eigentlich, dass du und der Leo … ?«, fragte ich.
    »Dass ich und Leo was?«, fragte Lana zurück.
    »Na ja, so bekannt miteinander seid.«
    »So bekannt miteinander?«, wiederholte Lana.
    »Nein, weiß er nicht. Er denkt, ich besuche Schulfreunde auf Rügen, die da ein Haus haben.«
    »Und wie erklären wir ihm dann, dass ausgerechnet du die Aufnahmen hast?«, fragte der Mandel.
    »Ich glaube eh, dass es an der Zeit ist, alles aufzuklären. Ausnahmsweise die Wahrheit zu sagen. Leo hatte das ohnehin vor.«
    »Der Schredder tut mir jetzt schon leid«, sagte ich.
    »Mir auch«, sagte Lana und sah jetzt das erste Mal wirklich genauso todtraurig aus, wie die Umstände waren.
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Neumann und seine Leute den Leo umgebracht haben«, sagte Lana ungefähr auf der Höhe von Rostock.
    »Ich auch nicht. Nicht wegen einer Platte«, sagte ich.
    »Die konnten ja nicht wissen, ob sie dadurch die Enthüllung überhaupt verhindern würden. Sie wussten ja nicht im Detail, wie weit Leo schon war mit dem Album, und wer schon alles davon wusste.«
    »Vielleicht wussten sie es ja doch, weil der Edelstein wirklich ein Doppelspion war«, sagte ich.
    »Wer war ein Doppelspion?«, fragte Lana nach.
    »Niemand«, sagte der Mandel.
    »Und was ist denn jetzt überhaupt die große Enthüllung vom Leo? Dass der Neumann in seiner Freizeit Klezmer hört?«, sagte ich, und Lana lachte über meinen Witz. Der Mandel lachte nicht.
    »Das ist eine längere Geschichte«, sagte Lana.
    »Wir haben ja auch noch fast zwei Stunden bis Hamburg«, sagte der Mandel.
    »Na gut. Leo hat sich vor zwei oder drei Jahren mal mit Leuten vom Simon-Wiesenthal-Zentrum getroffen. Dafür ist er sogar nach L. A. geflogen. Ich hab ihm damals in den Ohren gelegen, dass er mit seiner Bekanntheit, damit, wie viele Leute er erreicht, etwas Sinnvolles anfangen müsse, statt immer nur mit der Malleck auf Premierenfeiern rumzuhängen und so zu tun, als sei er noch fünfundzwanzig. Im Nachhinein ist mir auch klar, ich hätte ihn da nicht so gängeln sollen, schließlich ist er ja auch gar nicht der Typ Weltverbesserer, aber ich war da grade fünfzehn und in so einer politischen Phase. Schülerzeitung, Theatergruppe et cetera. Kennt man ja.«
    Ich verspürte einen Anflug von Ekel, als Lana erwähnte, dass sie vor kurzem noch fünfzehn gewesen war. Schreckte denn der Tilmann vor überhaupt nichts zurück?
    »Auf jeden Fall hat sich Leo das total zu Herzen genommen und hat wie immer übertrieben, hat sich gleich mit den obersten Nazijägern höchstpersönlich getroffen und die Leute vom Simon-Wiesenthal-Zentrum gefragt, ob er mit seiner Musik oder mit seiner Prominenz etwas für die Sache tun könnte. Mit der Tür ins Haus, wie er halt so ist. Es gibt in Deutschland ja nun wirklich genug antifaschistische Organisationen und Projekte und was weiß ich noch alles, aber nein, Leo muss natürlich nach L. A. fliegen.«
    »Wie ist er denn ausgerechnet auf das Wiesenthal-Zentrum gekommen?«, fragte der Mandel dazwischen.
    »Ach, das ist ganz absurd. Er hat mal einen Artikel gelesen, in dem BAP , das ist diese Kölner Band, als ›Simon Wiesenthal mit Gitarre und Schlagzeug‹ bezeichnet wurden. Ich weiß nicht, ob Leo die Ironie in dem Artikel verstanden hat, aber er war ganz hingerissen von der Formulierung ›Simon Wiesenthal mit Gitarre und Schlagzeug‹ . Und weil er sich schon immer für das Dritte Reich interessierte, hat er die Leute dort gefragt, ob es noch Altnazis gibt, die man noch nicht erwischt hat und die eventuell sogar noch am Leben sind. Und man weiß ja immer nicht, ob es wirklich stimmt, aber angeblich ist der Verbleib von zwei ganz wichtigen Kriegsverbrechern nie geklärt worden. Das eine ist der Alois Brunner, von dem habt ihr vielleicht schon gehört. Der war die rechte Hand von Eichmann und für die großen Deportationen nach Auschwitz zuständig.«
    Der Mandel nickte eifrig, so als wollte er sein Geschichtswissen an dieser Stelle bekräftigen. Ich glaube, er hatte keine Ahnung, wer der Eichmann überhaupt war.
    »Und der andere«, fuhr Lana
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