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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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der
Welt zu sein, konnte er sich nicht vorstellen, wo dieser Ort liegen könnte.
    Nach ihrer Kutschfahrt fuhren sie mit einem Taxi zu ihm in die Wohnung
und fielen ins Bett.
     
    Anne schüttelte Walter wach.
    »Liebling?« sagte sie. »Ich glaube, du hast einen bösen Traum gehabt.«
    Obwohl er noch ganz benommen war, dachte Walter sofort, nicht ein böser, der böse
Traum. Der gleiche böse Traum.
    »Habe ich etwas gesagt?« fragte er. »Nein.« Sie sah verwirrt aus. Und
verschlafen. Und wunderschön.
    »Es ist früh«, sagte Walter. Es war 5.43 Uhr, zwei Minuten bevor der
Wecker klingeln sollte. »Schlaf weiter.“
    »Ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Jetzt, wo du den Schwarzen Mann verjagt hast?« fragte er. »Mir geht's
bestens.«
    Sie küßte ihn weich auf die Lippen, drehte sich zur Seite und vergrub
sich unter den Decken. Anne Blanchard liebte den Schlaf.
    Walter haßte ihn. Das lag zum Teil daran, daß seine natürliche
Energie dagegen ankämpfte. Vor allem lag es daran, daß er den Traum fürchtete.
Es war natürlich nie genau der gleiche, doch seine Hauptmerkmale blieben sich
auf schauerliche Weise gleich: Es war immer Nacht, und seine Agenten — seine Agenten -
klammerten sich an einen großen Felsen wie die Überlebenden eines
Schiffsuntergangs. Dann kamen die Wellen. Sie schwollen vom Ozean her immer
mehr an und wurden zu massiven, unaufhaltsamen Mauern aus Wasser und spülten
seine Agenten nacheinander ins Meer — einen nach dem anderen. Einen, dann noch
einen und wieder einen. Und er selbst? In seinem Traum lag er am Rand dieses
Felsens am Meer. Er streckte die Hände aus und versuchte seine Agenten zu erreichen,
versuchte sie heraufzuziehen, sie zu retten. Manchmal schaffte er es sogar,
ihre kalten Hände zu berühren, bevor sie ihm entglitten. Einer nach dem
anderen, einer nach dem anderen. Unausweichlich wie die Wellen, die sich aus
dem Meer erhoben. Einer nach dem anderen, einer nach dem anderen.
    Es braucht keinen Sigmund Freud, um diesen Traum zu analysieren,
überlegte er, als er unter die Morgendusche taumelte, und auch noch so viele
Stunden auf der Couch würden ihn nicht verschwinden lassen.
    Nein, dachte Walter, als er in der Dusche stand und sich von dem fast
brühheißen Wasser besprühen ließ, meine Agenten sind ohne Zweifel tot. Tot oder
schlimmer noch als tot, sie leiden irgendwo in einer Zelle. Von dem »angeblichen«
Maulwurf dorthin verfrachtet.
    Ich bin tatsächlich Der Große Skandinavische Lude und Tödliche
Anwerber, dachte er. Betonung auf »Tödliche«. Ich habe sie verführt und
angeworben, habe sie aber nicht beschützen können. Einer nach dem anderen ist
verschwunden, bis sogar der Alte genug davon hatte.
    Und wäre ich nicht der Sohn meines Vaters, dachte er, als er aus der
Duschkabine in die kühle Wohnung trat, hätte man mich vielleicht selbst in
irgendeine Zelle verfrachtet, um mich anschließend zu verhören und
auszuquetschen, bis der Alte zufrieden und überzeugt war, daß ich nicht selbst
der Maulwurf bin.
    Der Alte hatte es ihm in der realen Version ihrer Unterhaltung in
Hamburg tatsächlich so gesagt. Ganz anders als in der offiziellen Legende.
    »Wenn Sie nicht der Sohn von Sam Withers wären«, hatte der Alte
gesagt, »würde ich Sie fast für verdächtig halten. Ihr Vater war ein guter
Mann.«
    »Das war er.«
    »Und ein sehr guter Freund von mir«, sagte der Alte. »Ich vermisse
ihn.«
    »Das tue ich auch.«
    »So kann das nicht weitergehen, mein junger Withers«, hatte der Alte
gemurmelt. »Die Hälfte Ihrer Agenten ist verschwunden, und die andere Hälfte
ist unrettbar kompromittiert. So wie Sie.«
    Walter hätte sich am liebsten zur Wehr gesetzt und sich für den Verbleib
in Stockholm ausgesprochen, um den Maulwurf zu finden. Er hatte jedoch keine
guten Argumente dafür. Der Maulwurf konnte sich überall befinden. Jeder konnte
dieser Maulwurf sein. Walter war in Stockholm erledigt. Er konnte sogar nur für
die Gegenseite von Nutzen sein, und zwar als eine Art negativer
Sicherheitstest. Er konnte nur eins tun: die unzuverlässigen Leute der
Gegenseite anwerben, die wiederum entlarvt werden würden.
    Und so mußte Walter gehen, um in dem langweiligen Job, den die Firma
für ihn gefunden hatte, eine Art von Leben aufzubauen. Und mit Ausnahme der
Träume war es bis jetzt nicht schlecht gewesen. Er war in New York, er war
verliebt, und ein Mann mit seiner Vergangenheit mußte vielleicht einfach mit
bösen Träumen leben.
    Er rasierte sich und machte sich

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