Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Demonstration der Körperlichkeit beeindruckte den Millionär offenbar.
»Okay«, sagte er. »Ich sag es Ihnen. Entweder findet mein Sohn einen Ausweg aus dieser Lage, oder Sie machen sich mich, all mein Geld und meinen Einfluss zum Feind.«
Ich will nicht lügen. Ich erwog ernsthaft, ihn zu erschießen. Wirklich. Aber Twill saß daneben, und ich wusste, dass mein Ärger andere Gründe hatte.
»Verzeihung«, sagte Twill.
»Halt’s Maul«, sagte Shelby Mycroft zu meinem Sohn.
Das brachte mich auf die Beine.
»Pops«, sagte Twill so diplomatisch, wie er konnte.
»Was?«
»Mr. Mycroft will es nicht von mir hören, aber ich könnte ja dir erzählen, was ich zu sagen habe. Er kann zuhören oder gehen.«
»Sprich weiter«, sagte ich und setzte mich wieder.
»Das Problem hat schon im Mutterleib angefangen, aber die Geschichte beginnt mit einem achtzehnjährigen Mädchen namens Velvet«, sagte er. Seine Worte erinnerten mich an die Art, wie ich häufig sprach. »Dieses Mädchen Velvet war wild und irgendwie durcheinander. Sie hat Kent in der Wäschekammer geküsst und dann seinen Vater auf einer Yacht auf dem Hudson gefickt.«
»Ich hör mir das nicht an«, sagte Shelby Mycroft und machte Anstalten aufzustehen.
»Nicht?«, fragte Twill. »Was glauben Sie, von wem ich das erfahren habe? Mirabelle weiß es nicht. Aber nachdem Velvet ihr Baby zur Welt gebracht und Kent erzählt hatte, dass Sie der Vater sind, ist er von zu Hause weggelaufen.«
Shelby wirkte perplex. Seine sportliche Bräune verblasste langsam.
»D-Das hat nichts mit der Angelegenheit zu tun, in der ich hier bin«, stotterte er.
»Und wenn ich sagen würde, dass Sie immer noch jeden Donnerstag mit einem anderen minderjährigen Mädchen auf die Yacht gehen und von neun bis Mitternacht den Matratzentango tanzen? Was, wenn ich Ihnen außerdem sagen würde, dass der Code für das Tor zu Ihrem Anlegesteg siebenundzwanzig fünfzehn lautet? Und der zum Eingang des Bootes fünfundsiebzig einundzwanzig.«
»Woher wissen Sie das?«
»Nicht nur das, Mann«, fügte mein Sohn hinzu. »Auf dem Nachttisch neben dem Bett steht eine rote Lacklampe mit einer Inschrift auf dem Fuß, von der nur jemand aus Ihrer Familie wissen kann. Kent hat seiner Bande erklärt, sollte man Sie irgendwann tot auf diesem Boot auffinden, würde er dem Mann, der ihm diese Lampe bringt, zwanzigtausend Dollar geben. Er bewahrt das Geld bar im Safe seiner Wohnung auf.«
Shelby bewegte die Lippen, doch kein Laut drang heraus.
»Und jetzt sagen Sie noch mal, Sie wollen, dass mein Pops sich für seine Freilassung einsetzt«, sagte Twill.
Ich war erstaunt über die unvermutet aggressive Haltung meines Sohnes. Aber sie hätte mich eigentlich nicht überraschen dürfen.
»Das hat Kent Ihnen erzählt?«, fragte Shelby.
»Das ist unter den Mitgliedern seiner Bande allgemein bekannt. Sie sind nur deshalb noch nicht tot, weil er einen Haufen Memmen für sich arbeiten lässt. Und außerdem machte es sie ein bisschen nervös, auch das Mädchen umbringen zu müssen.«
Shelby sah mich an. Ich konnte nur die Achseln zucken. Jetzt begriff ich, warum Twill so schnell und entschlossen gehandelt hatte. Er war empört, dass ein Sohn auf diese Weise gegen seinen Vater vorgehen konnte. Das war wahrscheinlich eins der schlimmsten Verbrechen, das sich sein junger Verstand vorstellen konnte.
»Und?«, fragte ich Mycroft.
»Eine rote Lacklampe hat er gesagt?«, fragte er Twill.
»Mit einer Inschrift auf dem Fuß, die nur jemand aus Ihrer Familie kennen kann.«
Der reiche Mann saß da und suchte nach dem Fehler in Twills Darstellung. Aber ihre Geometrie war perfekt.
»Sie haben uns engagiert, einen Auftrag zu übernehmen, und wir haben Ihnen einen weit besseren Dienst erwiesen«, sagte ich nach einer Weile. »Der Junge wäre früher oder später sowieso erwischt worden, aber so lange hätten Sie vielleicht nicht überlebt.«
»Wie ist er an die Codes gekommen?«, fragte Shelby. »Ich ändere sie alle drei Monate.«
»Wahrscheinlich über Mirabelle, oder?«, sagte Twill. »Sie hatte keinen Grund zu glauben, dass er vorhat, Sie zu erledigen. Vielleicht hat er ihr erzählt, er wolle Luscious eine Nacht dorthin ausführen. Dann hätte Sie es Ihnen nicht erzählt.«
Es ist wunderbar, einen Milliardär und Industriekapitän auf seine menschlichen Teile reduziert zu sehen. Seine Stirn war gerunzelt, sein Kinn hing schlaff herunter. Wäre er mein Gegner im Ring gewesen, hätte ich gewusst, dass er kurz vor
Weitere Kostenlose Bücher