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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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komisch?, fragt er.
    Nichts, sagt sie und zuckt mit den Schultern. Nur dass Sie so schnell essen, das erinnert mich an einen Hund, den wir mal hatten, als ich ein Kind war.
    Entschuldigung, sagt Brick. Ich habe Hunger.
    Das dachte ich mir schon.
    Sie sind wahrscheinlich schon selbst draufgekommen, dass ich neu in der Gegend bin, sagt er. Ich kenne in Wellington keinen Menschen, und ich brauche eine Unterkunft. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen?
    Für wie lange?
    Keine Ahnung. Vielleicht eine Nacht, vielleicht eine Woche, vielleicht für immer. Das ist noch nicht abzusehen.
    Sie drücken sich ganz schön vage aus.
    Ich kann’s nicht ändern. Ich bin in einer schwierigen Lage, verstehen Sie, in einer merkwürdigen Lage, und tappe noch vollkommen im Dunkeln. Tatsache ist, ich weiß nicht einmal, welchen Tag wir heute haben.
    Donnerstag, der neunzehnte April.
    Der neunzehnte April. Gut. Genau das hätte ich auch gesagt. Und welches Jahr?
    Machen Sie Witze?
    Nein, leider nicht. Welches Jahr haben wir?
    Zweitausendsieben.
    Seltsam.
    Wieso das?
    Weil die Jahreszahl stimmt, nur alles andere ist falsch. Hören Sie, Molly …
    Ich höre, mein Freund. Ich bin ganz Ohr.
    Gut. Also, wenn ich zu Ihnen sagen würde: Elfter September – hätte das irgendeine besondere Bedeutung für Sie?
    Eigentlich nicht.
    Und World Trade Center?
    Die Twin Towers? Diese Wolkenkratzer in New York?
    Ganz recht.
    Was ist damit?
    Stehen die noch?
    Ja, sicher. Was ist bloß mit Ihnen los?
    Nichts, murmelt Brick nahezu unhörbar. Dann senkt er den Blick auf das halbgegessene Rührei und flüstert: Ein Albtraum ersetzt einen anderen.
    Was? Ich habe Sie nicht verstanden.
    Brick hebt den Kopf, sieht Molly in die Augen und stellt ihr eine letzte Frage: Und im Irak ist kein Krieg. Richtig?
    Was fragen Sie mich, wenn Sie die Antwort schon kennen?
    Ich wollte mich nur vergewissern. Verzeihen Sie bitte.
    Hören Sie, Mister …
    Owen. Owen Brick.
    Also schön, Owen. Ich weiß nicht, was für ein Problem Sie haben, und ich weiß nicht, was Ihnen in diesem Krankenhaus zugestoßen ist, aber an Ihrer Stelle würde ich die Eier aufessen, bevor sie kalt sind. Ich gehe jetzt in die Küche und mache einen Anruf. Mein Vetter arbeitet als Nachtportier in einem kleinen Hotel hier um die Ecke. Vielleicht ist dort etwas frei.
    Warum sind Sie so nett zu mir? Sie kennen mich doch gar nicht.
    Ich bin nicht nett. Mein Vetter und ich haben eine Abmachung. Wenn ich ihm einen Gast besorge, gibt er mir zehn Prozent der Einnahmen für die erste Nacht. Alles rein geschäftlich, Fremder. Wenn er ein Zimmer für Sie hat, schulden Sie mir nichts.
    Wie sich herausstellt, hat er eins. Als Brick (mit Hilfe eines weiteren Schlucks von dem inzwischen erkalteten Tee) den letzten Bissen verzehrt hat, kommt Molly aus der Küche zurück und überbringt ihm die gute Nachricht. Es seien drei Zimmer frei, sagt sie, zwei für dreihundert die Nacht, eins für zweihundert. Da sie nicht wisse, was er sich leisten könne, habe sie ihm das für zweihundert reserviert, womit sie also, wie Brick dankbar bemerkt, trotz ihres Geredes von wegen rein geschäftlich, ihre Provision zu seinen Gunsten um zehn Dollar vermindert hat. Gar kein übles Mädchen, denkt er, auch wenn sie sich alle Mühe gibt, das zu verbergen.
    Brick fühlt sich so einsam, so verunsichert von den Ereignissen der vergangenen achtzehn Stunden, dass es ihm am liebsten wäre, wenn sie ihren Posten hinter der Theke verlassen und ihn zu dem Hotel begleiten würde, aber er weiß, das kann sie nicht tun, und er ist zu verzagt, sie zu bitten, ihm zuliebe eine Ausnahme zu machen. Stattdessen nimmt Molly eine Papierserviette und skizziert ihm den Weg zum Exeter Hotel, das nur einen Block entfernt liegt. Dann begleicht er die Rechnung, besteht darauf, dass sie zehn Dollar Trinkgeld annimmt, und gibt ihr zum Abschied die Hand.
    Ich hoffe, Sie einmal wiederzusehen, sagt er und steht idiotischerweise kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    Ich bin immer hier, antwortet sie. Von acht bis sechs. Montag bis Freitag. Falls Sie mal wieder Lust auf schlechtes Essen haben sollten, kennen Sie ja den Weg.
    Das Exeter Hotel ist ein sechsgeschossiges Kalksteingebäude zwischen Schuhdiscountern und finsteren Bars. Noch vor sechzig, siebzig Jahren mag es ein ansehnliches Haus gewesen sein, aber ein Blick in die Lobby mit ihren durchgesessenen, von Motten zerfressenen Samtsesseln und den abgestorbenen Topfpalmen zeigt Brick zur Genüge, dass man für zweihundert

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