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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Eier.
    Na schön, sagt Brick. Er ist enttäuscht, versucht aber dennoch gute Miene zu machen. Nehmen wir die Eier.
    Wie möchten Sie sie haben?
    Hmm … Wie möchte ich sie haben? Als Rührei.
    Wie viele?
    Drei. Nein, geben Sie mir vier.
    Vier? Das kostet Sie zwanzig Dollar. Die Kellnerin kneift die Augen zusammen und starrt Brick an, als sehe sie ihn gerade zum ersten Mal. Kopfschüttelnd fügt sie hinzu: Was wollen Sie eigentlich in so einer Kaschemme, wenn Sie zwanzig Dollar in der Tasche haben?
    Ich will essen, antwortet Brick. Rühreier, vier Stück, serviert von …
    Molly, sagt die Kellnerin und schenkt ihm ein Lächeln. Molly Wald.
    … von Molly Wald. Irgendwelche Einwände?
    Nicht dass ich wüsste.
    Also bestellt Brick sein Rührei; während er sich der dürren, nicht unfreundlichen Molly Wald gegenüber weiterhin um einen heiteren, scherzenden Tonfall bemüht, rechnet er aus, dass er bei solchen Preisen – fünf Dollar pro Ei in einem schäbigen Schnellimbiss – nicht sehr lange mit dem auskommen wird, was Tobak ihm am Morgen gegeben hat. Als Molly sich abwendet und seine Bestellung in die Küche ruft, überlegt Brick, ob er sie nach dem Krieg ausfragen solle oder ob es ratsamer sei, sich bedeckt zu halten. Noch unentschlossen, bittet er um eine Tasse Kaffee.
    Gibt’s nicht, tut mir leid, sagt Molly. Haben wir nicht mehr. Heißen Tee. Ich kann Ihnen heißen Tee bringen, wenn Sie wollen.
    Okay, sagt Brick. Einen Tee. Nach kurzem Zögern nimmt er seinen Mut zusammen und fragt: Nur aus Neugier – was kostet das?
    Fünf Dollar.
    Fünf Dollar? Anscheinend kostet hier alles fünf Dollar.
    Von seiner Bemerkung nun sichtlich aus der Fassung gebracht, beugt Molly sich vor, stützt ihre Fäuste auf den Tresen und schüttelt den Kopf. Sie haben eine ziemlich lange Leitung, wie?
    Offenbar, sagt Brick.
    Es ist sechs Monate her, dass wir Münzen und Einer aus dem Verkehr gezogen haben. Wo sind Sie gewesen, Mann? Sind Sie Ausländer oder was?
    Keine Ahnung. Ich bin aus New York. Macht mich das zu einem Ausländer?
    New York City?
    Queens.
    Molly stößt ein spitzes Lachen aus, das gleichviel Verachtung wie Mitleid mit ihrem ahnungslosen Kunden auszudrücken scheint. Das ist stark, sagt sie, wirklich stark. Ein Typ aus New York, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat.
    Ich … äh …, stammelt Brick, ich war krank. Außer Gefecht. Im Krankenhaus. Bin überhaupt nicht mehr auf dem Laufenden.
    Also, zu Ihrer Information, Mister, sagt Molly, wir haben Krieg, und New York hat damit angefangen.
    Ach?
    Jawohl, ach. Sezession. Schon mal davon gehört? Ein Bundesstaat erklärt sich vom Rest des Landes unabhängig. Inzwischen sind es sechzehn, und nur der Himmel weiß, wann das mal enden wird. Ich sage nicht, dass es schlecht ist, aber irgendwann reicht’s. Es macht einen fertig, und ziemlich bald hat man die Nase gestrichen voll von der ganzen Sache.
    Letzte Nacht gab es ein langes Feuergefecht, sagt Brick und wagt endlich eine direkte Frage: Wer hat gewonnen?
    Die Föderalisten haben angegriffen, aber unsere Truppen haben sie abgewehrt. Das werden die wohl so bald nicht wieder versuchen.
    Das heißt, in Wellington kehrt jetzt erst einmal Ruhe ein.
    Jedenfalls fürs Erste, ja. Was man so hört. Aber wer weiß?
    Eine Stimme aus der Küche ruft: Rührei! Und gleich darauf erscheint in der Durchreiche hinter Molly ein weißer Teller. Sie dreht sich um, nimmt Bricks Essen und stellt es vor ihn hin. Dann macht sie sich an den Tee.
    Die Eier erweisen sich als trocken und zu lange gebraten, nicht einmal einige ordentliche Prisen Salz und Pfeffer können da noch etwas ausrichten. Halbverhungert nach seinem Zwölf-Meilen-Marsch, schaufelt Brick eine Gabel nach der anderen in sich hinein, zermalmt die fade gummiartige Substanz sorgfältig zwischen den Zähnen und spült jeden Bissen mit einem Schluck Tee hinunter der nicht wie angekündigt heiß ist, sondern lauwarm. Was soll’s, sagt er sich. Bei so vielen unbeantworteten Fragen, mit denen er sich beschäftigen muss, ist die Qualität des Essens noch die geringste seiner Sorgen.
    Als er etwa die Hälfte seines Kampfs mit den Eiern geschafft hat, hält er kurz inne und sieht zu Molly hinüber, die noch immer hinterm Tresen steht und ihn beim Essen beobachtet; sie hat die Arme vor der Brust verschränkt, verlagert ihr Gewicht aufs linke Bein, dann aufs rechte, und in ihren grünen Augen flackert etwas, was man als unterdrückte Belustigung deuten könnte.
    Was ist bloß so

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