Mann mit Anhang
beide noch so jung.«
Nico war mit dem Alten
plötzlich ausgesöhnt. »Weil wir uns lieben«, sagte er. »Sie verstehen es
vielleicht nicht und werden es nicht glauben, aber man wird allmählich krank,
wenn man einander so liebt und nur miteinander ins Kino oder zum Tanzen geht.«
Uckermann betrachtete ihn
genau. Er hob sein Glas. »Du hast einen feinen Kerl erwischt, Goggi, du kannst
von Glück sagen. Darauf wollen wir einen Schluck trinken.«
Goggi setzte das Glas zurück
und stützte das Gesicht auf die Hand. In ihren Haaren tanzten die Funken, die
das Kerzenlicht hineinstreute. »Ich will wissen, was das ist: Liebe.« Sie sagte
das mit trotziger Heftigkeit. »Ich bin anders als Papa«, fügte sie hinzu.
Uckermann schüttelte das Haupt.
»Du bist ein junges Mädchen mit zwei höchst erfreulichen Eigenschaften: du bist
hübsch und wohlhabend.« Er wandte sich an Nico, der schweigend an seiner
Zigarette zog. »Sie haben das sicher auch bemerkt.«
»Ich habe bemerkt, daß ich
Goggi liebe, lange bevor ich bemerkt habe, daß sie hübsch oder gar wohlhabend
ist«, sagte er steif.
Uckermann machte eine zornige
Handbewegung. »Tun Sie das Geld nicht als etwas so Nebensächliches ab.
Versuchen Sie mal, von diesem Tisch ohne Geld wegzukommen, dann werden Sie
gleich sehen, wie wichtig Geld ist.«
Er warf seine Schultern herum
und wandte sich Goggi wieder zu. »Immerhin ist Nico ein seltenes und
beachtenswertes Exemplar unter der heutigen Männerwelt. Nach deinen
Beschreibungen dachte ich immer, er sei ein Windhund. Schau ihn dir an und sei
stolz auf ihn.«
Goggi bekam ihren Rappel. So
ein Rappel zog bei ihr herauf wie ein rascher Sturm über die Berge. »Ich
brauche ihn nicht anzusehen, ich weiß genau, wie er aussieht, dieser kalte,
glutäugige Brocken, der mich wie eine Göttin aus Alabaster liebt. Liebt? Daß
ich nicht lache! Ha!«
Uckermann sah sie interessiert
an und wartete auf das Ende dieses Ausbruchs. Als sie aufsprang und Nico ihr
nacheilen wollte, hielt er ihn zurück. »Lassen Sie sie für diesen Abend laufen,
aber heiraten Sie sie bald«, sagte er mit gemessener Ruhe. »Sie ist reif für
eine Liebschaft oder eine Ehe. Wollen wir unter Männern mal ein vernünftiges
Wort miteinander reden?«
Er reckte den Hals; »Fräulein,
noch so einen Burgunder«, rief er der vorbeieilenden Kellnerin zu und schwenkte
die Flasche.
»Sie gefallen mir, Nikolaus
Orlano«, begann er seine feierliche Rede und rückte sich in seinem Stuhl
zurecht.
»Ich weiß noch nicht, ob Sie
Goggis Vater gefallen werden, aber das kann ich arrangieren. Sie sehen gut aus.
Sie sind grundehrlich. Und nachdem Sie so besessen von Ihrem Beruf sind, gebe
ich Ihnen auch eine Zukunft. Aber sprechen wir erst mal von der Gegenwart.
Könnten Sie sich vorstellen, von mir ein niedrig verzinsliches sogenanntes
Ehedarlehen anzunehmen?«
Nico wollte aufbrausen, aber
Uckermann ließ es nicht dazu kommen. »Fordern Sie mich nicht auf Säbel, ich
schlage mich nicht mit Ihnen, ich sage es Ihnen jetzt schon.« Er holte eine
Pfeife aus der Rocktasche und zog an ihr, ohne sie gestopft zu haben.
»Wollen Sie sie haben, oder
wollen Sie sie schwimmen lassen?’ Ich meine Goggi.«
»Natürlich will ich sie haben«,
entgegnete Nico mit Zorn und Verzweiflung in der Stimme.
4
Goggi lief unterdessen die
Leopoldstraße hinauf und hinunter und dann durch die dunklen Schwabinger
Straßen und Gäßchen, um sich den Kopf zu kühlen. Was war eigentlich geschehen?
Nichts! Das war es eben. Nie geschah etwas. Man war einundzwanzig, konnte
Cicero und Homer übersetzen, wohnte in einem komfortabel eingerichteten Haus,
besaß einen wunderbaren Vater und den Hund Jacky, hatte nie finanzielle Sorgen
kennengelernt und war mit Nico Orlano, einem Mann, nach dem die Mädchen sich
die Köpfe verdrehten, verlobt.
Sie schlug sich mit der Faust
gegen die Stirn. Warum bin ich nicht glücklich? War man nur glücklich, wenn man
etwas sehr Großes, sehr Edles vollbrachte? Mit vierzehn Jahren hatte sie nach
Lambarene zu Albert Schweitzer gehen wollen. Und heute? Heute wollte sie
nichts, als mit Nico zusammen leben. Sie war ungeduldig und von einer
ruhelosen, unbestimmten Sehnsucht erfüllt.
Die blühenden Linden, die die
warme Asphaltstraße säumten, standen still in der Nacht und atmeten. Ihr Duft
streifte sie, sie spürte ihn auf der Haut und auch rund tun ihr Herz. Es war
ein unerträglich beengendes Gefühl, fast schmerzhaft und sehr merkwürdig.
Während sie
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