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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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der Pistole steif
nach unten haltend, inspizierte sie das Innere des großen, eleganten Wagens und
stellte fest, daß er leer war. Der Schwips war nun von den Knien aufwärts
geklettert und hielt ihren Kopf mit einer unwiderstehlichen Müdigkeit
umklammert. Die Gedanken gingen durcheinander und rissen zwischendurch ganz ab.
Am besten ist es, überlegte sie, sich ein wenig in das große Auto zu setzen und
zu warten, bis der Kopf wieder klar war. Man konnte dieses Auto auch nicht
einfach so unbewacht stehen lassen.
    Goggi stieg ein, schloß die Tür
hinter sich, rutschte nach links hinüber und legte, nachdem sie die Pistole
sanft neben sich gebettet hatte, die Arme um das Steuerrad. Ein wohliger
Seufzer, dann fiel der Kopf auf den rechten Ellenbogen. Wenn einer käme, würde
sie schießen. Oder bellen und so tun, als sei sie ein großer Hund. Oder noch
besser: bellen und schießen zugleich. Ganz klare Sache. Mit diesem Vorsatz
schlief sie ein.
    Die nächste Sache, die an sie
herantrat, war aber nicht ganz so klar. Sie mußte sich erst aus einer zähen
Verschlafenheit herausarbeiten, ehe sie begriff, daß sie sich in einem fremden
Auto befand und daß neben ihr ein Mann saß und ihr offenbar zu nahe kam, denn
er hatte ihren Kopf in seine beiden Hände genommen und versuchte, ihn
aufzurichten. Ihr fiel ein, daß sie hier war, tun das Auto zu bewachen.
Mechanisch tastete sie nach rechts, wo die Waffe liegen mußte. »Rücken Sie mal
ein bißchen weg hier«, murmelte sie schläfrig.
    »So? Warum denn?«
    »Weil Sie auf meiner Pistole
sitzen.«
    »Im Gegenteil, es ist meine
Pistole. Und Sie sitzen in meinem Auto«, sagte die Männerstimme. Sie gehörte
dem Apfelgesicht aus der Bar.
    Goggis Erinnerungen sickerten
träge in ihr Hirn zurück. Sie war in einer Bar gewesen. Vor Stunden? Oder vor
Tagen? Benommen richtete sie sich auf und schüttelte das Haar aus der Stirn.
»Ich habe Ihren Wagen bewacht«, sagte sie frostig. »Sie können mir dankbar
sein.«
    »Ich bin Ihnen auf jeden Fall
dankbar, daß Sie hier sind.«
    »Jemand war in Ihrem Wagen und
lief dann davon. Er hat diese Pistole verloren.«
    »Sie muß aus meiner Mappe
gefallen sein. Die Mappe ist weg.«
    »Ist sie eigentlich geladen?«
erkundigte sich Goggi, die allmählich ganz wach wurde.
    »Ja. Mit Tränengas. Ich finde
es außergewöhnlich nett von Ihnen, daß Sie sich meiner Angelegenheit so tapfer
annahmen.«
    Goggi lachte ihn freimütig an.
»Ich habe mich ein bißchen in Ihr Auto gesetzt, weil ich einen Schwips hatte.«
    »Darf ich Sie jetzt nach Hause
fahren?«
    Goggi hatte es sich am
Steuerrad wieder bequem gemacht. Sie richtete sich halb auf. »Offen gestanden
habe ich noch nicht ganz ausgeschlafen.«
    »Wollen Sie das nicht doch
lieber daheim erledigen?«
    Sie zuckte die Schultern und
gähnte.
    Das Apfelgesicht stieg aus und
ließ Goggi auf seinen Platz: sehen. Er kam um das Auto herum und setzte sich
hinters Steuer. »Ich heiße Berthold Hüsli und bin aus Montreux«, stellte er
sich vor.
    Goggi biß sich auf die Lippen.
Alles war plötzlich so feierlich und altmodisch. Herr Hüsli sah aus, als wolle
er sie im nächsten Augenblick zu einer Gavotte auffordern. Sein Wagen glitt
wunderbar weich und lautlos dahin. In der Luft war eine merkwürdige Helligkeit,
und als Goggi sich nach dieser Himmelserscheinung erkundigte, sagte Herr Hüsli,
das sei der neue Tag, und es sei vier Uhr morgens.
     
    Die Isar hatte die
stumpf-silbrige Farbe von Nickel. Goggi erinnerte sich plötzlich wieder an den
Ärger, den sie mit Nico hatte. Sie sagte: »Könnten Sie mich vielleicht mit in
Ihr Hotel nehme: anstatt mich nach Hause zu fahren?«
    Herr Hüsli aus Montreux zuckte
zusammen, als hätte Goggi die Gaspistole, die sie in der Hand hielt, auf ihn
abgedrückt. »Ich glaube, es ischt für Sie doch besser, zu Hause auszuschlafen«
meinte er besorgt.
    Goggi verfiel in düsteres
Schweigen. Es schien ihr Los zu sein, immer nur an grundsolide, pflichtbewußte
Ehrenmänner zu geraten. »Links abbiegen, dann geradeaus bis zur Brücke«,
dirigierte sie Herrn Hüsli.
    Als er vor der mannshohen Mauer
hielt, die das väterliche Grundstück umfriedete, legte er unerwartet seinen Arm
um Goggi. »Darf ich Sie küssen?« erkundigte er sich förmlich. Goggi brauchte
einige Sekunden zum Überlegen. Herrn Hüslis Ansinnen war nach dem, was er von
ihr denken mußte, nicht allzu dreist. »Wenn Sie es nicht leidenschaftlich tun,
dann ja«, entschied sie und kniff die Augen zusammen, während er

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