Mansfield Park
Verzagtheit, einem solchen Überfluß an Kindern und einem so betrüblichen Mangel an allen anderen Dingen zeugte, daß er jedermann versöhnlich stimmen mußte. Die arme Frau sah ihrem neunten Wochenbett entgegen; und nachdem sie diesen Umstand beklagt und die Gönner-und Patenschaft ihrer Verwandten für das erwartete Kind erbeten hatte, vermochte sie ihre Hoffnung nicht zu verhehlen, daß sie vielleicht auch etwas für die Zukunft der acht bereits vorhandenen Kinder tun würden. Ihr Ältester wäre zehn Jahre alt, ein prächtiger, aufgeweckter Bursche, den es in die Welt hinaus trieb – aber was konnte sie dazu tun? Bestünde vielleicht die Möglichkeit, daß er sich später einmal Sir Thomas bei der Verwaltung seiner westindischen Besitzungen nützlich erweisen könnte? Keine Stellung würde ihm zu gering erscheinen. Oder was hielte Sir Thomas von Woolwich? Oder wie sollte man es anfangen, einen Jungen in den Fernen Osten zu schicken?
Der Brief blieb nicht ohne Frucht. Er stellte wieder Frieden und Freundschaft her. Sir Thomas sandte freundliche Ratschläge und Versprechungen, Lady Bertram Geld und Kinderwäsche, und Mrs. Norris schrieb die dazugehörigen Briefe.
Das waren die unmittelbaren Folgen des Briefes, und innerhalb Jahresfrist sollte er sich für Mrs. Price noch bedeutsamer auswirken. Mrs. Norris bemerkte häufig, sie könne ihre arme Schwester mit all den vielen Kindern nicht aus dem Kopf bringen; soviel sie auch alle schon für sie getan hätten, empfände sie das Bedürfnis, noch mehr zu tun. Und schließlich gestand sie ihren Wunsch, ihrer armen Schwester wenigstens die Sorgen und Kosten für ein Kind aus ihrer großen Schar gänzlich abzunehmen. Wie wäre es, wenn sie gemeinsam die Fürsorge für das älteste Töchterchen übernehmen würden? Das Kind sei jetzt neun Jahre alt, also in einem Alter, das mehr Aufmerksamkeit erfordere, als die geplagte Mutter ihm beim besten Willen widmen könnte. Verglichen mit der Größe dieser Wohltat seien die Mühen und Auslagen, die sie mit sich brächte, gering einzuschätzen … Lady Bertram stimmte augenblicklich zu. «Ich glaube, wir könnten nichts Besseres tun», sagte sie, «lassen wir das Kind gleich kommen.»
Sir Thomas konnte nicht so rasch und vorbehaltlos seine Einwilligung geben. Er zögerte und überlegte. Es sei eine ernste Verantwortung; ein Mädchen, das in seinem Haus aufwüchse, müßte späterhin auch standesgemäß versorgt werden, sonst wäre es keine Wohltat, sondern eine Grausamkeit, es von seiner Familie zu trennen. Er dachte an seine eigenen vier Kinder – an seine zwei Söhne – an die Möglichkeit einer Jugendliebe zwischen Cousin und Cousine – und so weiter. Doch kaum hatte er begonnen, seine Bedenken bedächtig darzulegen, als Mrs. Norris ihm mit ihrer Antwort ins Wort fiel, die sämtlichen aufgezählten und nicht aufgezählten Einwendungen Rechnung trug: «Mein lieber Sir Thomas, ich verstehe Sie vollkommen und achte und schätze die Großmut und Feinfühligkeit Ihrer Bedenken, die so sehr im Einklang mit Ihrer ganzen Lebensführung stehen! Und in der Hauptsache bin ich völlig Ihrer Meinung, daß man ein Kind, das man sozusagen in die Hand genommen hat, auch weiterhin versorgen muß, soweit man dazu imstande ist. Ich persönlich bin wohl die Letzte, die für einen solchen Zweck ihr Scherflein verweigern würde! Da ich selbst keine Kinder habe, wüßte ich nicht, wem ich das wenige, das ich besitze, einmal zukommen lassen soll, wenn nicht den Kindern meiner leiblichen Schwestern – und mein guter Norris denkt sicher genau so, aber Sie wissen, große Worte und Versprechungen sind nicht meine Sache. Lassen wir uns nicht durch Bagatellen von einer guten Tat abschrecken! Wenn man ein Mädchen ordentlich erzieht und geziemend in die Welt einführt, kann man zehn zu eins wetten, daß sie die Möglichkeit finden wird, sich gut zu versorgen, ohne daß es irgend jemand weitere Kosten verursacht. Ich darf wohl sagen, eine Nichte von uns, Sir Thomas, eine Nichte von Ihnen, kann nur Vorteile davon haben, wenn sie hier aufwächst. Ich behaupte nicht, daß sie je ihren Cousinen gleichkommen wird, das gewiß nicht! Aber sie würde unter so günstigen Voraussetzungen in die hiesige Gesellschaft eingeführt, daß sie aller menschlichen Voraussicht nach eine sehr anständige Partie machen wird. Sie denken an Ihre Söhne – aber wissen Sie nicht, daß gerade dies am allerwenigsten zu befürchten wäre? Wenn sie doch wie Geschwister zusammen
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