Mantel, Hilary
dauern.
Dann: »Was ist mit unserem Bild passiert? Das mit dem Mann, der sein Herz in
der Hand hält, das wie ein Buch geformt ist. Oder meine ich sein Buch, das wie
ein Herz geformt ist?«
»Ich habe es einem Genueser
geschenkt.«
»Warum?«
»Ich musste für einen
Erzbischof bezahlen.«
Sie bewegt sich, zögernd,
langsam. Mit Mühe nimmt sie die Augen von seinem Gesicht. »Hans ist da. Er hat
auf Sie gewartet. Et ist böse. Er sagt, Zeit ist Geld.«
Hans hat sich freigenommen von
seinen Vorbereitungen für die Krönung. Er baut ein lebendes Modell des Berges
Parnass auf der Gracechurch Street, und heute muss er mit den neun Musen ihre Schritte
proben, sodass es ihm nicht gefällt, dass Thomas Cromwell ihn warten lässt. Er
poltert im Nebenzimmer herum. Anscheinend schiebt er die Möbel hin und her.
Sie bringen Frith zum Palast
des Erzbischofs in Croydon, damit Cranmer ihn examinieren kann. Der neue
Erzbischof hätte ihn in Lambeth sehen können; aber der Weg nach Croydon ist
länger und führt durch die Wälder. In den Tiefen dieser Wälder, sagen sie zu
ihm, wäre es wirklich schlecht für uns, wenn Sie uns entwischen würden. Sehen
Sie mal, wie dicht die Bäume auf der Seite von Wandsworth stehen. Darin könnte
man eine Armee verstecken. Wir könnten zwei Tage oder mehr damit verbringen,
dort zu suchen - und wenn Sie nach Osten gingen, nach Kent und zum Fluss, wären
Sie längst weg, bevor wir dort ankämen.
Aber Frith kennt seinen Weg;
er geht auf seinen Tod zu. Sie stehen auf dem Pfad, pfeifen und reden über das
Wetter. Einer pinkelt in aller Ruhe an einen Baum. Einer verfolgt den Flug
eines Eichelhähers zwischen den Zweigen. Doch als sie sich wieder umdrehen,
wartet Frith gelassen darauf, dass seine Reise weitergeht.
Vier Tage. Ein langer Zug von
fünfzig Barken, ausgestattet von den Zünften der Stadt; zwei Stunden von der
City bis Blackwall, die Takelage mit Glocken und Fahnen behängt; eine leichte,
aber frische Brise, wie er sie in seinen Gebeten bei Gott bestellt hat. Dann
fahren die Boote in umgekehrter Reihenfolge, ankern an den Stufen des Palastes
von Greenwich, holen die kommende Königin in ihrer eigenen Barke ab - es ist
Katherines alte Barke, neu gekennzeichnet, mit vierundzwanzig Ruderern: als
Nächstes ihre Frauen, ihre Wache, die Zierden des königlichen Hofes, all die
stolzen und edlen Seelen, die geschworen haben, sie würden das Ereignis
sabotieren. Boote voller Musikanten, dreihundert Fahrzeuge auf dem Wasser,
Banner und Wimpel flattern, Musik klingt von Ufer zu Ufer, und jedes Ufer ist
gesäumt von Londonern. Flussaufwärts mit der Flut, angeführt von einem
Wasserdrachen, der Feuer speit, und begleitet von wilden Männern, die Feuerwerkskörper
entzünden. Seetüchtige Schiffe feuern ihre Geschütze als Salut ab.
Als sie den Tower erreichen,
ist die Sonne herausgekommen. Es sieht aus, als stünde die Themse in Flammen.
Henry ist schon da, um Anne zu begrüßen, als sie anlegt. Er küsst sie ohne
Formalität, zieht ihr Gewand nach hinten und spannt es an den Seiten, um
England ihren Bauch zu zeigen.
Als Nächstes macht Henry neue
Ritter: einen Schwarm Howards und Boleyns, ihre Freunde und Gefolgsleute. Anne
ruht sich aus.
Onkel Norfolk verpasst die
Schau. Henry hat ihn zu König Francois geschickt, um die allerfreundlichste
Allianz zwischen unseren beiden Königreichen zu bekräftigen. Er ist königlicher
Zeremonienmeister und eigentlich für die Krönung zuständig, aber es gibt einen
anderen Howard, der als Stellvertreter fungiert, und außerdem kontrolliert er,
Thomas Cromwell, alles, inklusive dem Wetter.
Er hat sich mit Arthur Lord
Lisle beraten, der den Vorsitz beim Krönungsbankett haben wird: Arthur
Plantagenet, das liebenswürdige Relikt eines früheren Zeitalters. Er soll nach
Calais gehen, sobald dies hier vorbei ist, um Lord Berners als Gouverneur
nachzufolgen, und er, Cromwell, muss ihm Anweisungen geben, bevor er geht.
Lisle hat ein langes, knochiges Plantagenet-Gesicht, und er ist groß wie sein
Vater, König Edward, der ohne Zweifel viele Bastarde hatte, aber keinen so
hervorragenden wie diesen älteren Mann, der sein knirschendes Knie in Ehrerbietung
vor Boleyns Tochter beugt. Seine Frau Honor, seine zweite Frau, ist zwanzig Jahre
jünger als er, klein und zart, eine Spielzeugfrau. Sie trägt lohfarbene Seide,
Korallenarmbänder mit Goldherzen und einen Ausdruck wachsamer Unzufriedenheit,
der an Gereiztheit grenzt. Sie mustert ihn von oben bis
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