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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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schenkt sich von dem
Geschenk des Herzogs ein. »Aber als letzten Ausweg treten Sie sie einfach
ein.«
    Der Wein ist einer jener
großen, edlen Weine, die Brandon schätzt, und Chapuys trinkt anerkennend und
sagt: Ich verstehe es nicht, nichts verstehe ich in diesem gottverlassenen
Land. Ist Cranmer jetzt Papst? Oder ist Henry Papst? Vielleicht sind Sie ja
Papst? Meine Leute, die heute in der Menge standen, sagen, dass sie wenig
Jubelrufe für die Konkubine gehört haben, aber viele Stimmen, die Gott
anriefen, Katherine zu segnen, die rechtmäßige Königin.
    Wirklich? Ich weiß ja nicht,
in welcher Stadt sie waren.
    Chapuys rümpft die Nase: Ist
es ein Wunder? Der König hat dieser Tage nur noch Franzosen um sich, und sie,
Boleyn, sie ist halb Französin und steht ganz in ihrem Dienst; Francois hat
ihre gesamte Familie in der Tasche. Aber Sie, Thomas, Sie fallen nicht auf
diese Franzosen herein, oder?
    Er beruhigt ihn: Mein lieber
Freund, keine Sekunde.
    Chapuys weint; es sieht ihm
nicht ähnlich: Es ist dem noblen Wein zuzuschreiben. »Ich habe versagt. Ich
habe meinen Herrn, den Kaiser, enttäuscht. Ich habe Katherine enttäuscht.«
    »Nicht so schlimm.« Er denkt:
Morgen gibt es eine neue Schlacht, morgen gibt es eine neue Welt.
    Er ist an der Abtei, als es
dämmert. Der Zug formiert sich um sechs. Eingelassen in das bemalte Mauerwerk
gibt es hinter einer Abtrennung aus Gitterwerk eine Loge, von der aus Henry die
Krönung betrachten wird. Als  er gegen acht Uhr den Kopf hineinsteckt, sitzt
der König bereits erwartungsvoll auf einem Samtkissen, und ein kniender Diener
packt sein Frühstück aus. »Der französische Botschafter wird sich zu mir
gesellen«, sagt Henry; er selbst trifft diesen Herrn, als er davoneilt.
    »Man hört, dass Sie gemalt
wurden, Maitre Cremuel. Ich bin auch gemalt worden. Haben Sie das Ergebnis
gesehen?«
    »Noch nicht. Hans ist so
beschäftigt.« Selbst hier unter dem Fächergewölbe, an diesem schönen Morgen
sieht der Botschafter bläulich aus. »Nun«, sagt er, »es scheint, dass unsere
beiden Nationen mit der Krönung dieser Königin einen Zustand vollkommener
Freundschaft erreicht haben. Wie soll man Vollkommenheit noch verbessern? Das
frage ich Sie, Monsieur.«
    Der Botschafter verbeugt sich.
»Von jetzt an bergab?«
    »Wir sollten es versuchen,
wissen Sie. Einen Zustand der gegenseitigen Nützlichkeit zu bewahren. Wenn
unsere Herrscher wieder einmal nach einander schnappen.«
    »Noch ein Treffen in Calais?«
    »Vielleicht in einem Jahr.«
    »Nicht früher?«
    »Ich werde meinen König nicht
ohne guten Grund der hohen See aussetzen.«
    »Wir sprechen uns, Cremuel.«
Mit der flachen Hand klopft ihm der Botschafter auf die Brust, direkt über dem
Herzen.
    Annes Zug formiert sich um
neun. Sie ist eingehüllt in violetten Samt, besetzt mit Hermelin. Auf dem
blauen Tuch, das sich bis zum Altar erstreckt, hat sie siebenhundert Yards zu
laufen, und ihr Gesicht ist verzückt. Weit hinter ihr die Herzoginwitwe von
Norfolk, die ihre Schleppe trägt; näher bei ihr halten der Bischof von
Winchester auf der einen Seite, der Bischof von London auf der anderen den Saum
ihres langen Kleides. Beide, Gardiner und Stokesley, waren in der Frage der
Scheidung die Männer des Königs; jetzt aber sehen sie aus, als wünschten sie
sich, weit entfernt zu sein von dem lebenden Objekt seiner Wiederverheiratung,
das einen feinen Schweißglanz auf der hohen Stirn hat und dessen
zusammengepresste Lippen - als es schließlich den Altar erreicht - vom Gesicht
verschluckt zu werden scheinen. Wer sagt, dass zwei Bischöfe ihren Saum halten
sollen? Alles ist in einem großen Buch aufgeschrieben, so alt, dass man es kaum
zu berühren oder über ihm zu atmen wagt; Lisle scheint es auswendig zu kennen.
Vielleicht sollte es kopiert und gedruckt werden, denkt er, Cromwell.
    Er macht sich in Gedanken eine
Notiz, und dann konzentriert er seinen Willen auf Anne: dass Anne nicht
stolpert, als sie die Knie beugt, um sich auf den Boden zu legen und mit dem
Gesicht nach unten vor dem Altar zu beten, wobei ihre Damen vortreten und ihr
bei den kritischen zwölf Zoll behilflich sind, bevor Bauch auf heilige
Steinplatten trifft. Er stellt fest, dass er betet: Dieses Kind, dieses halb
geformte Herz, das jetzt gegen den Steinboden schlägt, lass ihn durch den Moment
geweiht sein, und lass ihn wie der Vater seines Vaters, wie seine Tudor-Onkel
sein; lass ihn hart und aufgeweckt sein, lass ihn Chancen erkennen und noch aus
der

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