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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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Sex. Wenn das Nadine wüsste!
    »Was gibt es denn da wohl zu grinsen?«
    Wie aufs Stichwort baute sich Chris vor mir auf. Das passte mir bestens, denn gerade hatte ich entschieden, dass es genug war mit den Versteckspielchen.
    »Hello again«, sagte ich.
    Wir setzten uns möglichst weit weg von der Reggae-Band und redeten weiter. Jetzt nicht mehr übers angstfreie Töpfern. Sondern über matschigen Salat im Flugzeug, heiße Kaffeebecher und Dauerwerbesendungen.

    Es wurde ja leicht ein bisschen peinlich, wenn zwei Menschen sich unterhielten, die schon ziemlich sicher waren, wie der Abend enden würde, und dabei so taten, als sei noch alles offen. Aber nicht mit Chris. Mit dem war gar nichts peinlich.
    Ich kam gar nicht in die Verlegenheit, etwas Falsches zu sagen oder an den passenden Stellen schweigen zu müssen. Denn Chris sagte ziemlich viel und immer das Richtige. Vor allem hatte ich lange mit niemandem mehr so gelacht. Nicht mal mit Melli. Und mit einem Mann? Frag nicht nach Sonnenschein!
    Und dann ging irgendwann alles sehr schnell. »Hast du nicht zufällig eine Sammlung sehr, sehr seltener alter Sunny-Side-Kataloge zu Hause, die du mir schon immer zeigen wolltest?«, fragte mich Chris, als die Band zu einer neuen Runde ansetzte. Einen kurzen Moment zögerte ich, denn gerade wurde es unterhaltsam. Frau Stöver aus der Lohnbuchhaltung hatte ihre Arme gehoben und klatschte verzückt, ihr schwerer Körper schwappte mit kurzer Verzögerung hinterher.
    »Kataloge, ja … die sind aber so alt, dass sie noch in Stein geritzt sind«, gab ich zurück, »auf zehn Tafeln. Wenn du sie unbedingt vom Dachboden schleppen willst …«
    Wollte er natürlich nicht.
    Und ich auch nicht.
    Lieber ins Auto (Kein peinlicher Geländewagen! Zehn Pluspunkte!), einmal durch die Stadt, Parkplatz gesucht, Glück gehabt, rein in die Wohnung, rauf aufs Sofa.
    Wieder mal die halb sauberen T-Shirts heruntergefegt und die Visitenkarten und die alten Zeitschriften und das Laptopkabel und den Brief von der Bank mit der neuen PIN für meine Kreditkarte (Ach, hier war der also!).
    Und Hände und Knöpfe und ganz viel schneller Atem und süße Suppe im Kopf und in den Mündern und … hach!
    Während ich so halb unter Chris lag, kam mir plötzlich wieder dieser verbotene Gedanke. Ich wunderte mich. So früh war der ja noch nie da gewesen! Diese leicht verschwitzten Kringellöckchen in Chris’ Nacken waren schuld. Ich konnte mir plötzlich so gut vorstellen,
wie er als Baby ausgesehen hatte. Ich hätte nicht mal etwas dagegen gehabt, wenn unser gemeinsames Kind haargenau so geboren worden wäre. Ohne eine einzige Zutat von mir.
    »Ist was?«, fragte er und ließ seine Finger meinen Nacken hinunter gleiten, bis dort, wo der Reißverschluss meines Kleides begann.
    Ich schaffte es. Ich schaffte es tatsächlich.
    Ich blieb brav und hielt meinen Mund.
    In dieser Nacht machte ich alles richtig. Ich lächelte, statt an den falschen Stellen zu reden, ich hatte zufällig Unterwäsche an, die nirgends einschnitt und keine roten Striemen hinterließ, und ich war hemmungslos. Aber eben nicht zu sehr. Ein kleines bisschen fehlte schon noch.
    Schwer atmend lag Chris schließlich neben mir, einen Arm um mich, einen auf seiner eigenen Stirn. Großartige Arme waren das, mit tollen Händen. Sehnig, gerade richtig behaart. Schon als er mir vorhin mein Garderobenzettelchen gegeben hatte, hatten sie fantastisch ausgesehen, später auf dem Lenkrad seines Autos hatten sie großartig ausgesehen. Und ich fand, auf meinem Körper machten sie sich auch gut. Die Hände waren gut, Chris roch gut, Chris küsste gut.
    Alles war gut.
    In der Nacht war es gut, und auch noch am nächsten Morgen, als ich ihn Brötchen holen schickte und er mit einem großen Latte macchiato to go für mich zurückkam. Ein Mann, der freiwillig in einer Kaffeebar die Worte Latte macchiato aussprach, obwohl die Frau ihn nicht einmal darum gebeten hatte – also, ein solcher Mann konnte ja wohl nicht ganz ohne Gefühle für die Frau sein.
    Denn wie das manchmal so war mit Dingen, die jeder mochte, wurden sie plötzlich das Gegenteil von schick. Ich traute mich ja selbst kaum noch, mein Lieblingsgetränk zu bestellen. Latte macchiato, das klang nach Fußballergattin mit wagenradgroßer Sonnenbrille und dem IQ eines kleinwüchsigen Eichhörnchens. Fast schon so schlimm wie Prosecco. Dabei war das Zeug so lecker! Und jetzt hatte dieser Prachtkerl mir einfach einen Riesenbecher mitgebracht! Nicht etwa so

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