Manuskript des Teufels
Und das nur, weil mich Pater Raimund, wenn ich ihn nachher über unser Gespräch informiere, darauf ansprechen wird. Können Sie mir verraten, warum Pastor Angenmüller und Ihr Chef sich ausgerechnet unser Mariawald ausgesucht haben, wo es doch nirgendwo so viele schöne und traditionsreiche Klöster gibt, wie bei Ihnen in Bayern? Ich denke da zum Beispiel an das namhafte Kloster Benediktbeuern“, ereiferte sich Albrecht. „In seiner Nähe liegen zahlreiche Seen, das Loisach-Kochelsee-Moor oder die bekannte Benediktenwand. Geradezu ideale Wanderziele. Oder an das älteste Kloster Bayerns, die Abtei Weltenburg, unmittelbar in der herrlichen Flusslandschaft der Donau gelegen. Nicht zu vergessen Kloster Andechs mit seiner weitbekannten Bierbrauerei?“
„Sie scheinen sich ja wirklich auszukennen, Herr Albrecht“, nun war wieder das erotisch anregende Timbre ihrer Stimme zurückgekehrt, „aber all diese Ordenshäuser bieten nicht das, was Mariawald auszeichnet und was mein Chef dringend braucht. Die maximale Abkehr von allem Weltlichen. Er weiß, dass ihm weder Radio noch Fernsehen zur Verfügung stehen werden. Und das ist gut so. Er braucht absolute Stille, um zu sich selbst und zum Sinn des Lebens zurückzufinden. Übrigens Herr Albrecht, da fällt mir noch etwas ein, und ich bitte Sie, dafür zu sorgen, dass das in Ordnung geht. Mein Chef möchte bei ihnen genau so leben wie die Trappisten-Mönche. Das heißt, er möchte mit ihnen um 3.15 Uhr aufstehen und um 19.30 Uhr mit dem Nachtgebet zu Bett gehen. Er wird auf jeden Fall an allen täglich stattfindenden Gebeten, Lesungen, Meditationen, Andachten und Gottesdiensten teilnehmen. Und er bittet darum, ihn auch zu körperlichen Arbeiten einzuteilen. Auch würde er gerne mit den Patres und Brüdern gemeinsam die kargen, fleischlosen Mahlzeiten einnehmen, auch wenn es für Gäste ein eigenes Speisezimmer gibt. Dass er als Nicht-Mönch Zivilkleidung tragen muss, damit hat er sich abgefunden. Soll ich Ihnen, lieber Herr Albrecht, etwas verraten? Der Chef hat mir sogar gestanden, dass er in der Zeit bei ihnen am liebsten den weißen Habit mit dem schwarzen, schürzenartigen Überwurf und dem breiten Ledergürtel tragen würde. Aber das steht einem Laien nicht zu. Er wird sich aber dem Schweigegelübde der Trappisten anschließen und zumindest vierzehn Tage lang jeden Kontakt nach draußen unterlassen.“
Ein wohltuend warmherziges – „ Dankeschön, es war nett mit ihnen zu plaudern“ – beendete abrupt das Telefongespräch und ließ einen verunsicherten und sich überrumpelt fühlenden Albrecht zurück.
Welch ein Telefonat!
So besonders, so anders. So aufwendig, als ginge es um mehr als nur um eine Zimmerreservierung. Albrecht hatte in den vielen Jahren, in denen er für die wirtschaftliche Klosterverwaltung zuständig war, unzählige Gastanfragen bearbeitet. Aber die heutige stellte eine seltsame Ausnahme dar.
So viel Detailwissen, gepaart mit einem, in einer warmherzigen Frauenstimme versteckten, autoritären Bestimmtheit, war ihm bisher noch nicht begegnet. Etwas in seinem Inneren mahnte ihn zu Vorsicht und Misstrauen. Ach, Unsinn, wischte er diese Bedenken weg, doch nahm er sich vor, diesem Herrn Feldkamp auf den Zahn zu fühlen. Im Internet stieß er auf eine aktuelle umfangreiche Präsentation des Feldkamp’schen Unternehmens. Das dort gezeigte Foto von Ferdinand Feldkamp überraschte ihn sehr. Albrecht hatte das Gesicht eines mit allen Wassern gewaschenen Geschäftsmannes erwartet, in dem es einem verbindlichen Lächeln nicht völlig gelang, einen Hauch von ‚über Leichen gehen‘ zu verbergen. Statt dessen schaute er in ein energisch wirkendes, aber äußerst sympathisches Antlitz eines Mannes, den er vom ersten Eindruck her, dank der hohen Stirn und der klugen Augen, als Schriftsteller, Wissenschaftler oder sogar als geistlichen Würdenträger eingestuft hätte. Dieser Mann, der sich Ferdinand Feldkamp nannte, schien alles zu sein, nur kein skrupelloser Geschäftsmann.
Diese durch seine lange Lebenserfahrung gestützten Mutmaßungen machten Albrecht stutzig. Gegenüber Pater Raimund würde er seine Bedenken vorerst noch verschweigen.
5
Stephan D’Aubert und Pater Aloisius fielen sich im Besucherraum von Mariawald in die Arme, als wollten sie einander nie mehr loslassen. Dann schauten sie sich freudestrahlend an und ein Lächeln flog über ihre Wangen.
„Mensch, Stephan. Drei Jahre ist es her.“
„Eine Ewigkeit.“
„Nichts habe ich so
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