Mara und der Feuerbringer
zwischen diesen Bekloppten und fühlte sich so deplatziert wie ein Pinguin beim Beachvolleyball. Und nur ein paar Meter weiter saß ihre Mama vor einem weiteren Baum und machte einen besonders vergeistigten Eindruck. Mara wusste, dass ihre Mutter sich gerade mal wieder unglaublich viel Mühe gab, alles richtig zu machen, und hinterher in den höchsten Tönen von dem Seminar schwärmen würde. Das musste sie ja auch, wenn sie nicht zugeben wollte, dass sie siebzig Euro dafür bezahlt hatte, drei Stunden lang sinnlos vor einem Baum zu sitzen.
Die hohle Nuss Larissa war natürlich nicht schuld daran, dass Mama sie hierhergeschleppt hatte – das war Mara klar. Aber irgendwomusste die brodelnde Wut über ihre selten dämliche Situation ja hin. Und mit Larissa traf es ganz sicher nicht die Falsche! Schließlich war Larissa ein Monster, und die waren bekanntlich hart im Nehmen. Wieder drängte sich ein Bild mit vollem Ellenbogeneinsatz in Maras Gedanken: Sie sah vor ihrem geistigen Auge, wie ein haushohes Larissamonster mit brüllender Lache über den Schulhof wankte und dabei alles unter seinen Füßen zermalmte. Büsche, Bänke, Fünftklässler …
Schluss damit! Mara schüttelte sich, um die Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Ja, sie war mit einer blühenden Fantasie gesegnet, aber Mara hasste jede Sekunde, die sie mit diesen albernen Tagträumen vergeudete. Die waren schließlich der Grund, warum man sie in der Schule so hänselte! Wenn Mara mal wieder in einen ihrer Träume versank, bekam sie rundherum einfach nichts mehr mit. Und das Schlimmste war, dass man es ihr auch noch sehr deutlich ansah. So wusste zum Beispiel der blöde Basti von der Bank hinter ihr ganz genau, wann er ihr wieder irgendwelche Papiergebilde in die Haare stecken konnte, ohne dass sie es bemerkte. Mara bemerkte auch nicht, wenn man ihren Schulranzen heimlich mit Steinen aus dem Pausenhof auffüllte oder ihren Füller an der Unterseite dick mit Lippenstift beschmierte. Das bemerkte sie alles meistens erst, wenn der Gong sie aus ihrem Tagtraum riss und sie ein paar Minuten später unter dem Gelächter von Larissa und ihrer Clique die Steine aus ihrem Ranzen sortierte und dabei überall rote Flecken hinterließ, während ihr laufend Papierkügelchen aus den Haaren purzelten.
Und das alles passierte ausgerechnet ihr, wo sie sich doch immer so viel Mühe gab, nicht aufzufallen! Mara war eigentlich die Art Mädchen, die man im Schulhof nicht bemerkte, und das war ihr auch bisher ganz recht so gewesen. Ihr Aussehen hatte ihr dabei immer geholfen: Maras Nase war weder zu groß noch zu klein, ihre Augen irgendwas zwischen grau und blau, die Haarfarbe irgendwo zwischenköterbraun und dunkelblond und außerdem war sie weder groß noch klein, noch dick oder dünn oder sonst wie besonders.
Doch dann war eines Tages Lästerqueen Larissa an die Schule gekommen und hatte sich aus der Menge der Unscheinbaren ausgerechnet Mara als Opfer herausgepickt. Und mit ihr schwenkte sich auch die gesamte Klasse auf sie ein wie ein Geschützturm.
Manchmal kam Mara sich vor wie ein Gecko in einem viel zu kleinen Terrarium, der tagaus, tagein angestarrt wurde und nichts anderes tun konnte, als zurückzustarren. Und schuld daran waren nur ihre Tagträume … und natürlich Larissa, diese blöde Kuh.
Apropos blöde Kuh. Diese altmodische, aber schön griffige Bezeichnung passte auch wie die Faust aufs Auge auf die meisten Mitglieder von Mamas komischer Frauengruppe. Die ganz schlimmen waren blöde Kühe, die weniger schlimmen waren nur blöd und die harmlosen waren nur Kühe. Ihnen allen gemeinsam war ein bestenfalls »fluffig« zu nennender Kleidungsstil sowie die Fähigkeit, sich allem zu verschließen, was man mit dem Begriff »Realität« bezeichnete. Und natürlich der selbst gewählte Name ihrer Gruppe. Sie nannten sich stolz die »Wiccas von der Au«.
Wicca
war angeblich ein altenglischer Begriff für
Hexe
, aber Mama wurde immer sauer, wenn Mara sie fragte, ob sie wieder zu ihrer Hexengruppe ging. Denn laut Mama waren ihre Wiccas »ein Zusammenschluss weiser und starker Frauen, die wissen, worum es in der Welt wirklich geht«. Für Mara hingegen waren sie »ein Zusammenschluss weichkeksiger Schabracken, die von der Welt überfordert sind und sich darum eine eigene bauen«. Das hatte Mara ihrer Mutter allerdings noch nie so gesagt, denn sie konnte sich noch gut daran erinnern, was passiert war, als Papa das einmal so ähnlich ausgedrückt hatte. Jetzt lebte er
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