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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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bis zum großen Knall. Bis euch eure
Retorten-Welt um die Ohren fliegt.« Er würde mit einem
guten Gewissen gehen. »Lauf, mein Freund, nur noch
dreieinhalb
Kilometer.«          
    Er riss sich die
Startnummer vom Leib und warf sie einer jubelnden jungen Frau am
Wegesrand zu. Ein paar Jungs riefen »Ausziehen,
ausziehen«. Den Gefallen wollte er ihnen gern tun.
    Er zog sich sein
langarmiges rotes Shirt über den Kopf und warf es in die
jubelnde Menge. Darunter trug er ein grünes ärmelloses
Hemd. Aus seiner Hosentasche kramte er ein rotes Stirnband, das er
sich während des Laufens über den Kopf zog.

63
    Gröber rannte, so
schnell er konnte. »Eine Strafe für die
Verräter«, »eigene Gesetze«, »ein
Gericht« - Gedankenfetzen schossen ihm durchs Hirn. Als er
die Zuschauerreihen abgegangen war, war ihm immer klarer geworden,
wonach er suchen musste. »Erst fällt ein Urteil, dann
folgt die Strafe. Bin ich der Richter, brauche ich einen Henker
…«
    Sein Blick war langsam
über die Tribüne gestreift, Kopf für Kopf der
letzten Reihe, Augenpaar für Augenpaar.
    Henker ist ein Beruf.
Ein Profikiller will nicht erkannt werden. Kein Messerstecher, der
in der ersten Zuschauerreihe steht, sondern einer im Hinterhalt.
Die letzte Zeitmessung. Auf die Sekunde, auf den Millimeter. Er sah
jubelnde, fröhliche Gesichter, die neugierig die Hälse
reckten. Dann sah er den Bürokomplex, der den neuen Turm
einfasste. Blinde geschlossene Scheiben, Stockwerk für
Stockwerk. Wenn Gassmann hier stirbt, muss er genau im Ziel
sterben, sonst ergeben die blutigen Zahlen keinen Sinn. Wer kann
sich so etwas ausdenken? Sein Blick war am Dach angelangt. Zu weit,
hatte er genau in dem Moment gedacht, als das Sonnenlicht auf einem
kleinen Punkt über dem Dachsims reflektierte. Er hatte die
Augen zusammengekniffen. 
    Irgendetwas unter dem
Punkt, in dem sich für einen winzigen Augenblick die Sonne
gespiegelt hatte, hatte einen winzigen Schatten auf die Hauswand
geschlagen. Ein Stock, eine Antenne, nein, ein Gewehrlauf. Ihm war
der Schreck durch alle Glieder gefahren. Keine falsche Bewegung. Er
war langsam weitergegangen. Kurz hinter dem Ziel hatte er sich
durch die Absperrung gedrückt und den Schutz der abgestellten
Reportagewagen der Fernsehteams genutzt. Als er sich sicher war,
vom Dach aus nicht mehr beobachtet zu werden, war er
losgerannt.
    Mit der einen Hand
versuchte er sein Funkgerät zu bedienen, um Kontakt mit der
Leitstelle aufzunehmen. Mit der anderen Hand drückte er immer
wieder auf die Wiederwahltaste seines Handys, um Remmer direkt zu
erreichen. Ohne Erfolg. Bei Remmer war dauerbesetzt, die Verbindung
zur Leitstelle hier hinter den Wagen voller
Übertragungstechnik nicht möglich. Er stürmte zum
Eingang des Gebäudes.
    Er trommelte mit
beiden Fäusten gegen die große gläserne
Eingangstür. »Die müssen doch einen Wachdienst oder
einen Pförtner haben, der hier auch sonntags aufpasst!«
Er trat gegen die dicken Scheiben der Tür. Wenige Meter neben
ihm begann der Bereich der Baustelle für den neuen
Hochhausturm. Hinter der Absperrung entdeckte er eine liegen
gelassene Schaufel. Er überlegte nicht lange, stürmte zu
der Baustellenabsperrung und riss sie aus ihren
Betonfüßen. Mit der Schaufel rannte er zurück zur
Tür und schlug mit aller Kraft zu. Zunächst sprang das
Glas, ohne jedoch nachzugeben. Dann, nach vier weiteren
kräftigen Schlägen, zerfiel die komplette Tür in
Tausende Glasscherben. Er hörte nicht die Leute, die
mittlerweile lautstark nach der Polizei riefen. Auch die
Alarmanlage im Haus, die begonnen hatte zu heulen, ignorierte er.
Gröber lief durch den großen Flur des Hauses, verlor
keine Zeit über den Ärger, dass alle Aufzüge
abgestellt waren, und hetzte das Treppenhaus hoch. Während er
mindestens drei Stufen auf einmal nahm, versuchte er erneut
Funkkontakt herzustellen. Diesmal funktionierte die Technik, doch
die Jungs in der Leitstelle verstanden ihn trotzdem nicht, so sehr
schnaufte er in das Gerät.
    Er hatte keine Zeit
für lange Erklärungen und brüllte schließlich
nur: »Sorgt dafür, dass Remmer die Leitung von ihrem
Scheiß-Handy frei macht, verdammt!«

64
    Endlich hatte Remmer
bei dem Versuch, Randbergs Frau zu erreichen, Glück. Sie hielt
ihm das Handy vors Gesicht, damit er das Freizeichen hören
konnte. Randberg rutschte auf dem Sitz hin und her. Das einzige Mittel,
das ihr eingefallen war, um Randberg unter Druck zu setzen, schien
Erfolg zu haben.
    »Warten
Sie!«,

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