Marcelli Sisters 03 - Eine Marcelli weiß, was sie will
Nachmittagssonne hinauslaufen. Das war nicht ganz so dramatisch, wie schreiend in der Nacht zu entschwinden. Aber das hier war kein Film. Im echten Leben musste man wohl ein paar Kompromisse machen.
„Ich respektiere unsere Traditionen ja“, antwortete sie so ruhig wie möglich. „Aber ich interessiere mich eben auch dafür, welche neuen Möglichkeiten es gibt.“
Voller Abscheu schüttelte Lorenzo den Kopf. „Dein Bruder würde das verstehen.“
Brenna war so geschockt, dass sie fast ihr Clipboard fallen ließ. „Was? Mein Bruder? Dieser Mann, den du noch nie im Leben getroffen hast? Wie, in aller Welt, willst du denn wissen, was er versteht oder nicht, Grandpa? Das ist total unfair, so etwas zu mir zu sagen. Im Gegensatz zu mir interessiert Joe sich überhaupt nicht für unseren Wein. Und wenn, dann geht es ihm nur um das Geld.“
Vielleicht war es hart, so etwas zu sagen. Aber sie hatte sich das nicht aus den Fingern gesogen. Francesca und sie hatten ihrem neuen Bruder schließlich einen Besuch abgestattet. Joe Larson hatte kaum Interesse an der Familie gezeigt – bis er gehört hatte, dass es ein Weingut gab, das ungefähr vier Millionen Dollar wert war.
Ihr Großvater zog die buschigen Augenbrauen zusammen. „Er ist ein Marcelli. Der Wein liegt ihm im Blut.“
„Den Eindruck hatte ich nicht. Und du kannst ihm doch nicht ernsthaft alles hier einfach so vererben wollen.“
Lorenzo warf ihr einen scharfen Blick zu. „Ich tue, was ich tun muss.“
Dann drehte er sich um und ging.
Brenna ließ sich zu Boden sinken und legte den Kopf auf die Knie. „Das kann doch nicht wahr sein“, flüsterte sie. Ihr brannten die Augen, und sie bekam kaum Luft. Ihr Großvater konnte das geliebte Weingut doch nicht einem völlig Fremden vermachen! Blut hin oder her. Und das alles nur, weil Joe ein
Mann
war?
„Das ist echt mies“, murmelte sie.
Es war mehr als mies und verletzte sie unglaublich. Natürlich hatte sie gewusst, dass ihr Bruder die Dinge verändern würde. Aber sie hatte immer noch die Hoffnung gehabt, dass sie sich irrte.
Die Entwürfe lagen verstreut neben ihr auf dem Boden. Scheinbar waren Streitereien über ein Logo jetzt ihr kleinstes Problem. Inzwischen war alles so kompliziert, dass sie sich wegen jeder Kleinigkeit mit ihrem Großvater stritt. Wahrscheinlich hätte er sie am liebsten gefeuert. Nur konnte er das eben nicht, weil sie zur Familie gehörte.
Aber er konnte ihr die Leitung des Weinguts wegnehmen. Wenn er sowieso alles hasste, was sie tat, warum dann nicht einen anderen Verwalter einstellen? Jemanden, der jedes Wort in sich aufsaugte und genau das tat, was Lorenzo Marcelli ihm sagte. Und noch eine Möglichkeit hatte ihr Großvater: Er konnte sein Testament ändern. Wenn er das nicht schon längst getan hatte.
„Siehst du, und deshalb war es die richtige Idee, deinen eigenen Wein zu machen“, sprach Brenna sich selbst Mut zu, während sie sich wieder aufrappelte. „Es spielt keine Rolle mehr, was der verrückte Alte tut. Ich habe jetzt meine eigene Firma, um die ich mich kümmern muss.“
Aber ein wirklicher Trost war das nicht. In ihrem Leben lief einfach alles schief. Ihre Vergangenheit war ein Desaster. Und die Zukunft sah auch nicht besser aus.
„Die neusten Zahlen“, sagte Nic, während er Maggies Büro betrat und ihr eine Mappe auf den Tisch klatschte. „Lies und staune!“
Sie zog die Augenbrauen hoch und blätterte die Papiere durch. „Solange dir der Erfolg nicht zu Kopf steigt …“
„Sehe ich so aus?“
„Leider kann ich dir aus professionellen Gründen keine ehrliche Antwort geben,“ Sie klappte die Mappe wieder zu. „Aber ich werde mir die Zahlen ansehen und dir ein paar Kommentare dazu aufschreiben. Bis spätestens morgen früh hast du sie.“
„Großartig.“ Er nahm auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch Platz. „Und wie sieht es mit den Zahlen für
Marcelli Wines
aus?“
Sie griff nach dem dicken Papierstapel neben ihrem Computer und reichte ihn Nic. Er warf einen Blick auf Maggies Einschätzung der Verkaufszahlen.
„Das ist das Beste, was ich dir geben kann, solange wir ihre Unterlagen nicht einsehen können“, erläuterte sie. „Ich habe unsere Großhändler gebeten, sich mal diskret umzuhören. Aber mehr war nicht drin.“
„Das ist doch schon mal super.“
Die Zahlen waren sogar noch besser, als Nic gehofft hatte.
Marcelli Wines
war ein sehr profitables Unternehmen. Und wenn er erst mal alles modernisiert und an den richtigen
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