Mariana: Roman (German Edition)
aufmerksam geblieben und hatte jedes ungewohnte Geräusch in dem einsam gelegenen Haus registriert: jedes Knarren der Dachbodentreppe neben meinem Schlafzimmer, das Geräusch des tropfenden Wasserhahns im Bad, jeden Ast, der über das Schieferdach kratzte. Ich war immer wieder aus einem unruhigen Schlaf aufgewacht und hatte meinen Kaffee am Morgen nötiger gehabt als sonst.
Trotzdem war es mir gelungen, fast alle Kisten im Arbeitszimmer auszupacken, bevor ich schließlich eine Pause eingelegt hatte und die kurze Strecke in den Ort hinein gelaufen war.
Der Rote Löwe teilte sich Exburys Hauptstraße mit einer Handvoll von Geschäften und Büros, einer Reihe in der Nachkriegszeit erbauter Cottages und ein paar schönen alten Häusern, die etwas zurückgesetzt von der Straße standen und durch niedrige Steinmauern und schmiedeeiserne Gitter vor neugierigen Blicken geschützt waren. Die Straße selbst war geteert, doch der Gehweg an ihrer Seite wies noch das ursprüngliche, alte Kopfsteinpflaster auf, was dem Dorf einen gewissen Charme verlieh. Außerdem gab es, wie ich zu meiner Freude festgestellt hatte, einen altmodischen, hölzernen Torweg mit Sitzbänken und Überdachung, von dem ich annahm, daß er zu der Kirche führte, deren Turm über einem Wall von knospenden Bäumen gerade noch zu sehen war.
Ich fragte mich müßig, wie alt die Kirche wohl sein mochte, und muß die Frage laut ausgesprochen haben, denn Vivien Wells antwortete mir, als sie ihren Platz hinter dem Tresen wieder einnahm. »Sie ist altsächsisch, zum Teil jedenfalls, obwohl sie erst im sechzehnten Jahrhundert ganz fertiggestellt wurde.« Sie warf einen fürsorglichen Blick auf mein leeres Glas. »Möchten Sie noch einen?«
»Vielleicht noch einen kleinen«, räumte ich ein und schob ihr das Glas zu. »Sie sind also wirklich die Lokalhistorikerin hier.«
Vivien lächelte. »Ich interessiere mich eben für Geschichte, und ich hatte eine Großmutter, die gerne erzählte. Iain sagte, daß Sie nach Informationen über Ihr Haus suchen, stimmt das? Leider weiß ich selbst nicht allzuviel. Meine Tante könnte da eine bessere Quelle sein. Seit ich mich erinnern kann, haben die Randals dort gewohnt, und sie waren nicht gerade eine aufregende Familie. Aber ich bin sicher, daß ich etwas für Sie herausfinden kann. Da fällt mir ein …«
Sie drehte sich zu ihrem Kollegen um, der am anderen Ende des Tresens lümmelte, Zeitung las und eine Zigarette rauchte. »Ned, hat dein Vater nicht mal Arbeiten in Greywethers ausgeführt, zu Zeiten des alten Randall?«
Ned hob die Augen von seiner Zeitung, sah mich kurz an, lächelte Vivien zu und rief über die Schulter, »Hey, Dad.«
Einer der alten Männer am Ecktisch hob den Kopf. »Was ist?«
»Viv will mit dir reden.«
Neds Vater trottete bereitwillig zur Bar herüber und wurde mir als Jerry Walsh, Klempner im Ruhestand, vorgestellt. Ja, bestätigte er Vivien, er habe ein paar Aufträge für den alten Bill Randall erledigt.
»Er wollte sein Bad modernisiert haben«, berichtete er. »Mit neuen Rohrleitungen und allem Drum und Dran. Sie brauchen sich nie Sorgen wegen Ihrer Wasserleitungen zu machen, Miss«, fügte er stolz hinzu und klopfte sich an die Brust. »Ich habe gute Arbeit geleistet, jawohl. Nicht wie diese Grünschnäbel heutzutage.«
Ich verzichtete darauf, den tropfenden Hahn zu erwähnen, oder daß das Wasser zuerst immer in einem schockierend braunen Schwall aus der Leitung kam, wenn man es aufdrehte.
»Du erinnerst dich nicht zufällig daran, von wem die Randalls das Haus gekauft haben, Jerry, oder?« fragte Vivien ihn.
Er runzelte die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher … sie haben es kurz nach dem Ersten Weltkrieg gekauft, glaube ich. Mir scheint, vorher gehörte es irgendeinem Offizier. Mein Bruder könnte was wissen … Arthur!« Er rief einen anderen Mann vom Tisch zu uns herüber.
Innerhalb von zehn Minuten war ich von allen sieben umringt, die sich in ihrer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft übertrafen. Mit viel Palaver gingen sie ihre Erinnerung durch und einigten sich schließlich, daß Eddie das Haus in den frühen fünfziger Jahren von seinem Vater William geerbt und daß William es 1921 von einem Captain Soundso gekauft hatte, der angeblich zwei sehr hübsche Töchter gehabt hatte. Was die Zeit davor betraf, war sich niemand mehr so richtig sicher, und so sehr sie sich auch bemühten, konnten sie sich doch an keine interessanten Vorkommnisse in der Geschichte meines Hauses
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