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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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den wir kennen.» Noch während sie sprach, erklomm Mrs. Cotterell in einem teuren Tweedkostüm und einem steifen Filzhut, den eine Fasanenfeder schmückte, das Trittbrett. Mrs. Cotterell wohnte in einem roten Haus auf einem Hügel oberhalb von Yarde. Manchmal kam sie nach Charbury herüber zum Tee und brachte ihren kleinen Sohn mit, damit er sich . Er wurde genannt, trug Knickerbocker aus Kordsamt und seidene Hemden. Alles mußte nach seinem Kopf gehen, und wenn er nicht immer das beste Dreirad bekam, rannte er laut heulend zu den Großen.
    Mrs. Cotterell setzte sich zu ihnen, sagte zu Mary: «Na, wie geht’s, Margaret?» und fing sofort an, eine lange Geschichte zu erzählen von einer Köchin in Taunton, mit der sie gesprochen habe, weil «meine wunderbare Mrs. Ellis sich als eine ganz falsche Schlange entpuppt hat. Wenn ich Ihnen davon erzähle», Mrs. Cotterell senkte vor Entrüstung die Stimme, «von dem Komplott an meiner Küchentür; mit den Kaufleuten hat sie sich verschworen, um mich bei den Abrechnungen zu betrügen...» Mit einem plötzlichen Ruck setzte sich der Zug ächzend und stöhnend in Bewegung, und Mary kniete sich auf den Sitz, um aus dem Fenster sehen zu können. Von Zeit zu Zeit drangen abgerissene Fetzen aus Mrs. Cotterells empörtem Bericht an ihr Ohr... «Weiß der Himmel, seit wann die das so getrieben hat»... begleitet von mitfühlenden Ausrufen ihrer Mutter.
    Yarde war nur etwa 14 Meilen von Taunton entfernt, aber der , wie er in der Familie genannt wurde, brauchte über eine halbe Stunde. In aller Ruhe schlängelte er sich durch die Felder, kreuzte kleine Landstraßen und paßte sich den Konturen der Landschaft an. Er machte Umwege um kleine Hügel, anstatt sich rücksichtslos seinen Weg durch sie hindurch zu bahnen, wie es der Schnellzug getan haben würde. Mary erkannte jeden Fußbreit Boden; jede Station, an der sie hielten und auf der in der plötzlichen Stille klar und deutlich Stimmen im Somerset-Dialekt erklangen, war ein Meilenstein. Je näher sie Yarde kamen, desto vertrauter wurde ihr die Gegend, weil sie sie schon so oft vom Zug aus betrachtet hatte. Und jetzt kamen die Orte, wo sie selbst bereits gewesen war, und wo sie wieder hingehen würde. Viele Male war sie schon bis zu diesem Hügel, auf dem eine Baumgruppe stand, geritten; dort wurde für einen Augenblick die Landstraße sichtbar, auf der man im Auto nach Taunton fuhr, und hier war ein Wäldchen, wo sie Stunden um Stunden gestanden und den Sonnenaufgang beobachtet hatten, als Onkel Tim sie und Denys zur Fuchsjagd mitgenommen hatte. Die Aufregung, die sich seit ihrem Aufbruch in London auf der ganzen Fahrt immer mehr gesteigert hatte, brachte sie nun, als der Zug gemächlich in den Bahnhof von Yarde einfuhr, fast zum Bersten. Als sie aus dem Zug sprang, sah sie wieder dieselben roten Geranien im Gärtchen des Stationsvorstehers, den alten Gepäckträger Jakob, der in einer Hand drei tote Enten, in der anderen einen Hundekorb trug, und — das war das Allerschönste — Linney, der groß und breitschultrig neben der Bahnhofswaage stand und auf sie wartete. Er trug eine dunkelgrüne Uniform, und sein grinsender Mund — so weit auseinandergezogen, daß eine Melonenscheibe zwischen seinen Zähnen Platz gefunden hätte — spaltete sein Gesicht in zwei Hälften. Sie stürzte auf ihn zu, aber er wehrte ihrer überschwenglichen Begrüßung mit seinen Händen, die in großen, braunen Stulpenhandschuhen steckten, wobei er einen Blick auf Mrs. Shannon warf, die gerade aus dem Zug stieg.
    «Na, Miß Mary, wollen Sie denn nicht endlich etwas wachsen», fragte er, wie er es immer tat, und sie antwortete mit ihrem Standardwitz, der nie seine Wirkung verfehlte: «Erst wenn Sie dünn wie ein Zwirnsfaden geworden sind!»
    «Du bist mir schon eine», sagte er, schüttelte den Kopf, und grinste breiter denn je, während sie neben ihm zum Gepäckwagen hüpfte und ihn mit einer Flut von Fragen überschüttete — nach den Hunden, den Pferden, dem Kräuter-Gärtchen und nach den geschwollenen Füßen seiner Frau.
    Mrs. Shannon und Mrs. Cotterell rissen sich auf dem Bahnhofsvorplatz endlich voneinander los. Mrs. Cotterell fuhr, hoch oben auf einem zweirädrigen Einspänner thronend, davon, und Linney verstaute Mary, ihre Mutter, das Gepäck und einen Ballen Kunstdünger, der mit dem Zug gekommen war, in dem alten Lancia, der für die Fahrten zur Bahn benutzt

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