Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
auffällig gekleidet, die von Haus aus schmale Taille zu eng geschnürt, ihr Kussmund zu geschminkt für meinen Geschmack, ein wenig schrill auch ihre Stimme: eine Künstlerin eben. Als sie eingetreten war und ich ihr umfangreiches Gepäck mit Félix` Hilfe hereingeschleppt hatte, warf sie wie ein Wirbelwind die kostbare Boa und das weiße Seidencape, das über ihren Schultern hing, achtlos in die Ecke.
„Marie – so ist doch dein Name, nicht wahr? Zeig mir zuerst das Badezimmer, und führ mich dann zum Abbé. Serviere uns dann bitte einen Eistee.“
Bérenger hasst Eistee - und ich hasse es, wenn man mich duzt, ohne mich näher zu kennen.
Ich zeigte Emma den Weg zur Toilette und führte sie mit eisiger Miene dorthin, wo sich der Mann aufhielt, der möglicherweise uns beiden ziemlich viel bedeutete, in den Turm Magdala. Bérenger hatte uns bereits kommen sehen. Er stand mit aufgesetztem Lachen unter der Tür und umarmte Emma zur Begrüßung. Es sollte wohl so etwas wie ein „Verschwörerblinzeln“ sein, das er mir über ihre Schulter hinweg zuwarf.
Die umfangreichen Vorbereitungen und die Extrawünsche der Gäste nahmen mich jedoch derart in Anspruch, dass ich gar nicht dazu kam, die beiden ständig zu beobachten. Schließlich musste alles perfekt sein. Gerade weil sie da war, wollte ich mich nicht blamieren. Das Dîner war denn auch so exzellent, dass sie und die verwöhnten Pariser voll auf ihre Kosten kamen.
Moliere soll einmal gesagt haben: Wenn genügend zu essen da ist für acht, dann ist auch genügend da für zehn.
Nun, wir hätten ganz Rennes satt bekommen bei diesem Festbankett am Tag der Heiligen Klara, das aber für Emma gegeben wurde und für niemand anderen. Ein prächtiges Lamm wurde auf den Spieß gesteckt. vier Männer vom Ort - samt dem buckligen Jean - hatten schon am frühen Nachmittag damit begonnen, es gleichmäßig mit Olivenöl zu bestreichen und schön langsam über dem Feuer zu braten. Ab und zu warfen sie trockene Rosmarinzweige in die Glut, die knisterten und einen betörenden und zugleich appetitanregenden Duft verströmten. Am Abend waren die Männer fast ebenso knusprig braun wie das Lamm. Nicht wenige Krüge vom Roten, die ihnen Bérenger des heißen Tages und der schweißtreibenden Arbeit wegen großzügig hingestellt hatte, hatten das ihre dazu beigetragen, dass sie richtig ausgelassen waren.
Gedeckt hatten wir im Park. Alle Freunde Bérengers waren gekommen, außer Boudet, der in letzter Zeit öfter kränkelte. Aber der Abbé von Coustaussa, Gélis, war da, den die beiden in ihre Suche nach „Arkadien“ einbezogen hatten.
Die große Sängerin tat an diesem Tag das, was sie wohl zu tun gewohnt war: Sie spielte die Diva und ging Bérenger dabei kräftig um den Bart. Schon frühmorgens hatte sie Champagner verlangt (mit Folgen, wie man noch erfahren wird). Später flanierte sie, weiß gekleidet, mit tiefem Dekolleté und wehendem, golddurchwirktem Chiffonschal, durch die Villa und den Park. Auf ihrem Kopf segelte ein breitkempiger, eleganter Strohhut, bestückt mit einem blauen Vogel sowie einem guten Dutzend goldener Rosen. La Belle Époque! Am linken Ringfinger funkelte – für mich nicht sonderlich überraschend, aber dennoch schmerzlich - ein mächtiger Saphirring.
Im Beisein der anderen Gäste gebärdete sie sich wie die Dame des Hauses, und nach dem fünften Glas Champagner erzählte sie allen, die es hören wollten oder auch nicht, mit ausladender Gestik den neuesten Witz: „Sagt ein Spötter zu einem Priester: ´Es kann ja gar keine Hölle geben, denn woher will der Herrgott all das viele Holz nehmen, das er zum Heizen dieser Institution braucht?` Der Priester jedoch war schlagfertig - er scheint unserem lieben Bérenger zu ähneln, nicht wahr?“ - Emma lachte schallend - „Der Priester also gab zur Antwort: ´Solange der liebe Gott solch grobe Klötze, wie Sie einer sind, im Vorrat hat, ist mir darob nicht bange!`“
Tout Paris grölte.
Später inspizierte sie die mit weißem Leinen gedeckten Tische im Park, zog hier eine Decke gerade und verrückte dort eine der zahlreichen Kugelvasen, gefüllt mit rosa Heckenrosen, Lavendel und Schleierkraut. Schließlich monierte sie in unverschämtem Tonfall fast alle Kristallgläser. „Marie, hast du etwa nicht die hässlichen Wasserflecken bemerkt? Wir wollen uns doch nicht blamieren!“
Wir? Uns? Zur Ehrenrettung der drei braven Frauen, die ich zusätzlich zu Henriette seit Tagen in Diensten hatte, muss gesagt
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