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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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rauszugehen. Er war mitten an der spannendsten Stelle gewesen. Na gut, das stimmte nicht, das ganze Buch hatte eigentlich nur spannende Stellen, und er wollte jetzt sofort weiterlesen. Weil das Buch Gefühle hatte und er unbedingt heute noch wissen musste, ob es gut ausging. Sonst konnte er bestimmt nicht schlafen. Und das ging gar nicht, weil sie morgen Deutsch schrieben.
    Wenn er doch nur so cool wie Alabama Moon wäre. Der war einfach Weltklasse, wie er im Wald überleben konnte. Er selbst traute sich nicht mal da rein. Ihm ging hier schon die Muffe. Das war echt zum Kotzen. Er wollte so gern irgendwie ein Held sein. Obwohl seine Mutter sagte, Helden wären so was von out. Er glaubte ihr nicht. Und jetzt wollte er nach Hause.
    »Balou!«, rief er und schreckte damit ein paar Krähen auf, die laut loskrächzten. Total unheimlich. Sonst passierte nichts. Kein wildes Rascheln wie sonst, wenn der Hund auf ihn zugestürmt kam, kein Bellen.
    »Balou!«, brüllte er, »bei Fuß!«
    Er traute sich bis an den Waldsaum heran, jedoch nicht weiter, keinen einzigen Schritt. Schwarz, es war nur schwarz dadrinnen. Ja, er wusste, dass seine Augen sich daran gewöhnen würden. Dass er nach einer Weile doch etwas erkennen könnte. Aber er wollte nicht! Er stampfte wütend mit dem Fuß auf. Er konnte auf alles, was sich im Wald herumtrieb, gut verzichten. Das war wie Geisterbahn zu Fuß. Nicht sein Ding. Er war noch nie auf dem Gallimarkt gewesen, nur weil er Schiss hatte, dass Papa oder David mit ihm Geisterbahn fahren wollten und ihm keine Ausrede einfiel. Dabei war das unecht, alles nur Technik. Das hier aber war echt!
    Was sollte er machen? Er schaffte das nicht. Aber ohne Balou nach Hause gehen ging gar nicht. »Balou?«, flüsterte er.
    Da! Was war das? Er hörte ein leises Rascheln und kniff die Augen zusammen. Nichts zu sehen. Da schlich sich einer an, bestimmt. Er stolperte rückwärts. Wahrscheinlich lag Balou tot im Wald, und jetzt kam der Mörder, um ihn zu holen. Er öffnete den Mund, um zu schreien, aber da kam nichts raus, wieso kam da nichts raus? Das Rascheln wurde lauter. Er fiel hin. Das war’s, dachte er. David würde bestimmt riesigen Ärger kriegen. Aber das nutzte ihm jetzt auch nichts mehr.
    Ein Knurren. Ogottogott! Er machte die Augen zu, wollte nicht sehen, was jetzt passierte. Er zog die Beine an und rutschte auf dem Po weiter weg. Jemand trat auf seinen Fuß, und seine Augen gingen wieder auf, obwohl er das echt nicht wollte. Balou? War das wirklich Balou? Oder war das so was wie eine Fata Morgana? Und wo war der so lange gewesen? Er wollte schimpfen, aber er glaubte nicht, dass aus seinem Mund schon was rauskam.
    Balou stand mit schiefem Kopf vor ihm, als wenn er ein schlechtes Gewissen hätte. Er trug einen Stock im Maul. Also ehrlich, dachte er, wenn du glaubst, dass ich jetzt auch noch Stöckchen werfe, hast du dich aber schwer geirrt. Am Ende vom Stock hingen noch Blätter. Das sah fast aus wie das Plastikding, mit dem Papa sich den Rücken kratzte, ’ne Hand am Stiel. Balou schüttelte den Kopf. Die Blätter fielen nicht runter vom Stock. Das waren überhaupt keine Blätter. Das war ’ne Hand am Stiel. Kein Plastik. Oh Mann! Das war ein Knochen! Das war in echt! Er kniff die Augen zu, ganz fest, so fest es nur ging.
    Und dann war da auf einmal ein Kreischen, wie von einer Motorsäge, aber im Dunkeln konnte man doch nicht sägen? Er hielt sich die Hände vor die Ohren, und erst da begriff er, dass er es war, der diesen Höllenlärm veranstaltete, er schrie, einfach immer weiter, und da war es schon zu spät, er konnte nicht mehr aufhören damit. Der Krach war lauter als der Kopf, so konnte man nicht daran denken, was man gesehen hatte, er hat nichts gesehen, überhaupt nichts, er liest nur zu viel, da bildet man sich so was ein, aber lieber weiterschreien, das ist einfach sicherer, denn sonst müsste er ja – er müsste irgendwas tun, aber was? Was tat man, wenn man …
    Plötzlich packte ihn jemand von hinten und hielt ihm den Mund zu. Sein Herz schlug ganz komisch, irre schnell, und polterte irgendwie. War das jetzt Sterben?
    »Ruhig, ganz ruhig.«
    Die Stimme klang gar nicht wie die von einem Mörder. Eigentlich klang sie – wie die von seiner Lehrerin? Er versuchte, sich umzudrehen, und ja, es war seine Lehrerin, und sie nahm die Hand von seinem Mund, aber sie hielt ihn immer noch fest, richtig fest. »Was ist denn los?«, fragte sie.
    Er hob den Arm und zeigte auf Balou, der immer noch

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