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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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dass er ihr geradezu einen Gefallen täte, wenn er einwilligte, als Mieter zu bleiben. Sie sei die Arbeit und den Aufwand leid, dauernd wechselnde Feriengäste zu beherbergen, und habe anderes vor, nun, da die Mädchen sie nicht mehr ständig brauchten. Davon allerdings wisse auch Enno noch nichts. Der Rest sei abgesprochen.
    Er hatte sich Bedenkzeit erbeten, eine Woche, in der er schlecht geschlafen, Ennos forschende Blicke ignoriert und zwei weitere Wohnungen besichtigt hatte, die an das, was ihm hier geboten wurde, nicht entfernt heranreichten. Aber erst ein Gespräch mit Enno hatte seine Zweifel beseitigt: Es sei ja nicht so, dass er kein Kündigungsrecht besäße. Es gebe keinen Zwang zu familiärem Miteinander, keine Verpflichtung zu Babysitterdiensten, so willkommen die seitens der Mädchen auch sein mochten. Und sogar die Videoüberwachung sei bereits eingestellt. Fast wäre er auf den Spruch hereingefallen. Ennos Gelächter jedenfalls hatte den selbst auferlegten Bann gebrochen, und in der folgenden Woche hatten sie alle gemeinsam die Wohnung ausgeräumt und frisch gestrichen. Keine zehn Tage später stand der Umzugswagen vor der Tür.
    Die größte Herausforderung der ganzen Unternehmung hatte darin bestanden, die Möbel aus seiner Vier-Zimmer-Wohnung unterzubringen. Er hätte besser im Voraus planen und obendrein entrümpeln sollen. Doch Judith hatte sich als ausgesprochen kreativ erwiesen, was die Nutzung jedes kleinsten Winkels betraf, und so hatte nahezu alles seinen, wenn auch manchmal unorthodoxen, Platz gefunden. Aber das ging in Ordnung, denn unorthodox war auch der Schnitt der Wohnung. Im Erdgeschoss, auf der rückwärtigen Seite der Doppelgarage, lagen Schlafzimmer und Bad. Vom winzigen Flur aus führte eine Treppe ins Obergeschoss, das aus einem einzigen, sich bis über die Garage erstreckenden Raum mit Wohn-, Ess- und Kochbereich bestand. Ein erhöhter Drempel erlaubte sogar einem Hünen wie Enno, aufrecht zu gehen, und zwei Gauben sorgten für ausreichend Licht. Judiths Entwurf, hatte Enno verraten, und Zinkel fühlte sich ausgesprochen wohl. Obendrein gehörte ein kleiner, durch eine Kirschlorbeerhecke abgetrennter Gartenbereich zu seiner Wohnung, und im Frühling, nahm er sich fest vor, würde er ein Beet anlegen und ein paar Stauden pflanzen, Lupinen mochte er, den großen sattroten Mohn.
    Das Knallen einer Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Ich sag es ihm«, hörte er Jule oder Janne rufen.
    »Nein, ich«, widersprach die andere.
    Er konnte die beiden beim besten Willen nicht auseinanderhalten, hatte sogar den Verdacht, dass es zumindest Enno ebenso erging. Warum sonst sollte er immer nur von »den Mädchen« sprechen? »Wie wär’s denn mit gleichzeitig?«, schlug er vor, um sich bemerkbar zu machen.
    »Huch«, ertönte es zweistimmig, und er musste grinsen, hatte nicht gewusst, dass dieses Wort heutzutage noch zum Sprachschatz gehörte.
    »Also, welche Hiobsbotschaft überbringt ihr mir zu so später Stunde?«, erkundigte er sich.
    »Was heißt das denn?«
    »Fragt eure Mutter.« Auch Enno kam um die Ecke. »Paul, wir müssen los.«
    »Ein Knochenfund«, piepste Jule oder Janne.
    »Im Heseler Wald«, ergänzte die andere.
    Beide zappelten herum, und Zinkel wusste, am liebsten würden sie mitfahren. Sie zeigten ein morbides Interesse an allem, was gruselig war, und der Bericht über einen Knochenfund wäre in der Schule gewiss nicht zu schlagen. »Bin gleich da.« Er nickte Lübben zu, ging hinein, um Waffe, Papiere und eine Jacke zu holen, und überließ es ihm, seine Töchter ins Haus zu schicken. Ihr Protest war weithin hörbar.
    »Lange komm ich nicht mehr gegen sie an«, lamentierte Lübben, als Zinkel hinter sich abschloss.
    »Du bist Polizist, wo bleibt deine natürliche Autorität?«
    »Pf«, schnaubte Lübben, »wenn das so weitergeht, geb ich sie zur Adoption frei. Falls du dich zur Verfügung stellen willst.«
    »Nix drin, das überleb ich nicht«, prophezeite Zinkel und wartete, bis sie im Wagen saßen, bevor er sich nach dem Grund für diesen späten Einsatz erkundigte.
    »Ein Junge, eine Lehrerin, ein Hund und ein Armknochen mit Hand«, gab Lübben Auskunft und fuhr los.
    »Klingt unwiderstehlich«, entgegnete Zinkel.
    Fünfzehn Minuten später erreichten sie das Ziel und stiegen aus. Im Licht der Scheinwerfer eines Einsatzfahrzeugs kauerte ein kleiner, schmächtiger Junge, dem eine Frau, die Lehrerin, nahm Zinkel an, beständig auf den Kopf klopfte. Unterbrochen von

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