Marionetten
sondern ihn lieber einer unserer zahlreichen muslimischen Hilfsorganisationen zukommen lassen, damit wir ihn da verteilen, wo der Bedarf in der Umma am größten ist. Wenn ich Sie recht verstehe, ist dies auch Ihr persönlicher Wunsch.«
Eine Pause, in der Annabel dolmetscht. Eine weitere Pause, in der Issa mit gesenktem Kopf und zusammengezogenen Augenbrauen das Gehörte verarbeitet – um dann sein Einverständnis zu bekunden.
»Und von diesem persönlichen Wunsch ausgehend« – endlich kam Abdullah zum Kern der Sache –, »habe ich eine Liste von Stiftungen zusammengestellt, die meiner Meinung nach Ihre Großzügigkeit verdienen. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie diese Liste erhalten, Issa. Und Sie haben eine Auswahl getroffen. Stimmt das?«
Es stimmte.
»Dann waren Sie also zufrieden mit der Liste, Issa? Oder soll ich Ihnen die Tätigkeiten der jeweiligen Organisationen noch eingehender erläutern?«
Aber Issa reichte es nun. »Mein Herr!« platzte es aus ihm heraus, und er sprang ein drittes Mal auf die Füße. »Dr. Abdullah! Mein Bruder! Sie sollen mir bitte eines versichern: daß wir das Geld Gott und Tschetschenien geben! Mehr muß ich nicht hören! Es ist das Geld von Dieben, Vergewaltigern und Mördern. Es ist der sündige Ertrag aus Riba 1 . Es ist haraml Profit aus Alkohol, Schweinefleisch und Pornographie! Es ist kein Geld Gottes! Es ist das Geld Satans!«
Nachdem er sich unbewegt Annabels Übersetzung angehört und ihr bei den arabischen Wörtern geholfen hatte, antwortete Abdullah bedächtig:
»Sie geben das Geld, um damit Gottes Willen zu tun, mein guter Bruder Issa. Es ist weise und richtig, es wegzugeben, und wenn Sie es weggegeben haben, sind Sie ein freier Mensch, der studieren und Allah in Genügsamkeit und Keuschheit verehren kann. Vielleicht ist es wahr, daß das Geld gestohlen wurde, daß es Wucherzinsen erbracht und Zwecken gedient hat, die nach den Gesetzen Gottes verboten sind. Aber bald wird es nur noch Gottes Geld sein, und ER wird Ihnen gnädig sein, was immer Sie nach Ihrem Erdenleben erwartet, denn niemand außer IHM vermag darüber zu urteilen, wie Ihnen Ihre Tat vergolten wird, ob im Paradies oder in der Hölle.«
Brue sah endlich seine Chance, zur Tat zu schreiten.
»Also dann«, sagte er munter und erhob sich ebenfalls. »Dürfte ich vorschlagen, daß wir uns in den Computerraum begeben und unsere Angelegenheit dort zu Ende bringen? Natürlich nur, wenn Frau Richter einverstanden ist.«
Frau Richter war einverstanden.
* * *
»Können wir?« fragte Maximilian Bachmann, während sie alle drei zusahen, wie Brue und MEILENSTEIN zur Tür gingen, gefolgt von Issa und Annabel.
Was soviel hieß wie: Sind wir soweit, daß du ins Taxi steigst und ich deinen beiden Schatten das Zeichen gebe, dir im Audi zu folgen?
Bachmann zeigte mit dem Daumen auf den Bildschirm, über den der Überwachungswagen mit Berlin verbunden war.
»Kein grünes Licht«, sagte er und rang sich ein bitteres kleines Grinsen über die unergründlichen Ratschlüsse der Bürokraten in Berlin ab: immer noch kein endgültiges, eindeutiges, unwiderrufliches, unleugbares grünes Scheißlicht! Von Burgdorf, meinte er, von Axelrod oder dem ganzen aufgeblasenen, geschniegelten und gebügelten Pack von Stänkerern, das von kleinkarierten Juristen an der kurzen Leine gehalten wurde. Dauerte die Beratung der Geschworenen denn immer noch an? Stöberten sie in der Zentrale immer noch unter ihren opulenten Ledersofas nach einem Grund, nein zu sagen? Diskutierten sie darüber, ob fünf Prozent schlecht bereits schlecht genug waren, um dafür der gemäßigten muslimischen Gemeinde auf die ohnehin schon wehen Zehen zu treten?
Dabei präsentiere ich euch die Lösung doch auf dem Silbertablett, Himmelarsch! schimpfte er im stillen auf die ganze Bagage. Laßt es mich auf meine Art machen, dann kriegt kein Schwein Wind davon! Oder soll ich euch die Brocken vielleicht vor die Füße schmeißen, in einen Hubschrauber nach Berlin springen und euch Kollegen Bescheid stoßen, was fünf Prozent schlecht wirklich heißt in der realen Welt da draußen, vor der ihr euch so gründlich abschirmt: knöcheltiefe Ströme von Schlachthausblut und hundertprozentig Tote, die in fünf Prozent großen Stücken über den Marktplatz verstreut liegen.
Aber seine größte Angst wagte er sich selbst kaum einzugestehen: die Angst vor Martha und den Ihren. Martha, die nur beobachtet und nicht mitmischt – als hätte sie sich jemals mit
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