Marissa Blumenthal 01 - Virus
den Raum, den Heberling meinte, wenn es sich auch kaum um ein Besprechungszimmer handelte. Jackson blieb an der Tür stehen und nahm die hohe Täfelung, die verglaste Wand und die karge Möblierung in sich auf. Zwei Chippendale-Sofas standen einander gegenüber auf einem großen chinesischen Teppich. Das war das einzige Mobiliar; auf einem der Sofas saß Heberling.
»Ich hoffe, daß das tatsächlich wichtig ist«, eröffnete Jackson die Unterhaltung. Die beiden Männer saßen einander gegenüber. Äußerlich konnte man sich keinen größeren Gegensatz vorstellen. Heberling war stämmig mit einem kräftig durchbluteten Gesicht und nahezu derben Zügen, Jackson dagegen groß und mager mit einem fast asketischen Gesicht. Ihre Kleidung verstärkte noch den Kontrast: Heberling im Arbeitsoverall, Jackson im Nadelstreifenanzug wie ein Bankier.
»Da, dort draußen im Hof stand die Blumenthal!« sagte Heberling und unterstrich seine Worte mit einer dramatischen Geste. »Gesehen hat sie zweifellos nichts, aber allein schon die Tatsache, daß sie herkam, weist doch darauf hin, daß sie irgend etwas wissen muß. Man muß sie wegschaffen.«
»Sie haben Ihre Chance gehabt«, fauchte Jackson. »Zweimal sogar! Und beide Male haben Sie und Ihre Schläger Mist gebaut. Das erste Mal in ihrem Haus, und genauso letzte Nacht im Seuchenkontrollzentrum.«
»Dann müssen wir’s halt noch einmal versuchen. Aber Sie haben es doch abgeblasen!«
»Da haben Sie verdammt recht. Ich habe erfahren, daß Sie ihr Ebola spritzen wollten!«
»Na und?« sagte Heberling. »Sie war oft genug der Ansteckungsgefahr ausgesetzt - da hätte es keinerlei unangenehme Fragen gegeben.«
»Ich will keinen Ebola-Ausbruch in Atlanta!« brüllte Jackson. »Mir graust es vor dem Zeug, und ich habe schließlich selbst Familie. Überlassen Sie uns die Frau, wir werden uns schon um sie kümmern.«
»Aber ja doch«, warf Heberling verächtlich hin. »Das haben Sie auch schon gesagt, als Sie ihre Wegversetzung aus der Abteilung Spezielle pathogene Keime veranlaßten. Aber sie ist weiterhin eine Bedrohung für das ganze Projekt, und ich habe vor, für ihre Ausschaltung zu sorgen.«
»Sie sind nicht der Verantwortliche in dieser Sache«, sagte Jackson drohend. »Und wenn es schon um Schuldzuweisungen geht, dann muß ich Ihnen sagen, daß niemand von uns derart im Schlamassel stecken würde, wenn Sie sich an die ursprüngliche Abmachung gehalten und Grippeviren benutzt hätten. Wir sind in panischer Angst, seit wir erfahren haben, daß Sie eigenmächtig Ebola-Viren verwendeten!«
»Ach, geht’s jetzt wieder mit diesen Klagen los!« sagte Heberling angewidert. »Das hat Ihnen doch prächtig gefallen, daß die Richter-Klinik schließen mußte. Wenn es dem ›Aktionskomitee der Ärzte‹ darum ging, das wachsende Vertrauen der Leute in Privatversicherungskliniken zu stören, gab es doch gar nichts Besseres. Die einzige Abweichung vom ursprünglichen Plan besteht darin, daß ich zu Feldstudien gekommen bin, die mir jahrelange Laborarbeit ersparen.«
Jackson studierte Heberlings Gesicht. Er war zu der Überzeugung gekommen, daß der Mann ein Psychopath war, und verabscheute ihn. Leider kam diese Feststellung etwas spät. Nachdem die Geschichte erst einmal angelaufen war, war es wahrlich nicht leicht, sie jetzt wieder zu stoppen. Dabei war der ganze Plan so einfach erschienen, als man ihn seinerzeit im geschäftsführenden Vorstand des Aktionskomitees ausgeheckt hatte.
Jackson holte tief Luft; es war ihm klar, daß er trotz seines Ärgers ruhig bleiben mußte. »Ich habe Ihnen sicher schon ein dutzendmal gesagt, daß das ›Aktionskomitee der Ärzte‹ keineswegs zufrieden ist, sondern im Gegenteil bestürzt wegen der Todesopfer. Das lag niemals in unserer Absicht, und das wissen Sie auch, Dr. Heberling!«
»Das ist doch Quatsch!« schrie Heberling. »Todesopfer hätte es schließlich auch durch die Grippe gegeben, wenn wir die vorgesehenen Stämme verwendet hätten. Wo wäre denn Ihre Toleranzgrenze gelegen - vielleicht bei hundert? Und wie steht es denn mit den Todesfällen, die ihr reichen Ärzte dadurch verursacht, daß ihr unnötige Operationen zulaßt oder dafür sorgt, daß unfähige Kollegen trotzdem ihre Krankenhausprivilegien behalten?«
»Wir billigen keinesfalls unnötige Operationen oder Unfähigkeit!« gab Jackson scharf zurück. Er hatte nun wirklich genug von diesem Psychopathen.
»Sie unternehmen zumindest nicht das geringste dagegen«, gab Heberling
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