Marissa Blumenthal 01 - Virus
mit verächtlicher Miene zurück. »Von all dem Geschwafel über die Abkehr der amerikanischen ärztlichen Wissenschaft von ihren traditionellen Werten, mit dem Sie und das PAC mir kamen, habe ich kein Wort geglaubt. Verschonen Sie mich doch damit! Das ging doch ganz eiskalt um den Schutz wirtschaftlicher Interessen. Urplötzlich gibt’s zuviel Ärzte und zuwenig Patienten. Der einzige Grund, warum ich mit Ihnen zusammengearbeitet habe, war der Bau dieses Labors.« Heberling machte eine weit ausholende Geste. »Sie wollten der Idee der Gesundheitsvorsorge durch Privatversicherung einen Stoß versetzen, und ich habe den gewünschten Beitrag dazu geliefert. Der einzige Unterschied ist der, daß ich es auf meine eigene Weise und zu meinem eigenen Nutzen gemacht habe.«
»Aber wir befahlen Ihnen, sofort damit aufzuhören«, brüllte Jackson, »gleich nach dem Ausbruch in der Richter-Klinik!«
»Halbherzig, darf ich hinzufügen«, gab Heberling zurück. »Sie waren höchst zufrieden mit dem Ergebnis. Es mußte ja nicht nur die Richter-Klinik schließen - erstmals seit fünf Jahren ist auch die Zahl der neuen Mitglieder der privaten Krankenversicherungen in Kalifornien rückläufig. Das Aktionskomitee hat wohl gelegentlich Gewissensbisse, aber im Grunde seit ihr doch alle recht glücklich. Und ich konnte den Nachweis für meine These führen, daß Ebola eine erstrangige biologische Waffe ist, selbst wenn ein Serum dagegen oder eine Behandlungsmethode dafür noch fehlt. Ich konnte beweisen, daß der Ebola-Virus leicht zu verbreiten, verhältnismäßig einfach einzudämmen und von verheerender Auswirkung auf kleinere Menschenmengen ist. Mein lieber Dr. Jackson, wir haben beide bekommen, was wir uns wünschten. Wir müssen uns nun lediglich noch mit dieser jungen Frau beschäftigen, ehe sie uns in ernsthafte Schwierigkeiten bringt.«
»Ich sage es Ihnen jetzt zum letzten Mal«, antwortete Jackson, »und das ist endgültig: Wir wünschen keinen weiteren Einsatz von Ebola-Viren. Das ist ein Befehl!«
Heberling lachte. »Dr. Jackson«, sagte er, sich nach vorn beugend, »ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie an den Tatsachen völlig vorbeigehen. Das Aktionskomitee kann mir überhaupt keine Befehle mehr erteilen. Sind Sie sich denn darüber klar, was es für Ihre weitere berufliche Situation bedeutet, wenn die Wahrheit ans Licht kommt? Und ich kann Ihnen versichern, daß es dazu kommt, wenn Sie mir nicht im Hinblick auf die Blumenthal freie Hand lassen.«
Für einen Augenblick mußte Jackson um Fassung ringen. Er wollte aufspringen und Heberling an die Kehle gehen. Aber er wußte, daß der Mann recht hatte - dem Aktionskomitee waren die Hände gebunden. »Also gut«, sagte er widerstrebend. »Machen Sie in bezug auf Dr. Blumenthal, was Sie für richtig halten. Aber wissen will ich nichts darüber. Und setzen Sie jedenfalls in Atlanta keine Ebola-Viren ein.«
»Na wunderbar«, sagte Heberling lächelnd. »Wenn Ihnen das guttut, gebe ich Ihnen auf beides mein Wort. Ich bin doch alles in allem ganz umgänglich.«
Jackson stand auf. »Und noch etwas - ich möchte auf keinen Fall, daß Sie bei mir in der Praxis anrufen. Wenn Sie mich unbedingt erreichen müssen, dann rufen Sie mich zu Hause an.«
»Aber mit Vergnügen«, antwortete Heberling.
*
Da die Strecke Atlanta - Chicago viel beflogen war, mußte Marissa nicht länger als eine halbe Stunde auf den nächsten erreichbaren Flug warten. Sie kaufte sich die Taschenbuchausgabe eines Romans von Dick Francis, konnte sich aber nicht auf den Inhalt konzentrieren. Schließlich entschloß sie sich, endlich Tad anzurufen und eine Entschuldigung zu versuchen. Sie war sich noch im unklaren darüber, was sie ihm über ihren wachsenden Verdacht mitteilen sollte, und entschied sich, dies vom Verlauf des Gesprächs abhängig zu machen. Sie rief im CDC-Labor an, und wie sie vermutet hatte, war er noch bei der Arbeit.
»Hier ist Marissa«, sagte sie, als er sich meldete. »Bist du böse auf mich?«
»Ich bin stocksauer!«
»Tad, es tut mir leid…«
»Du hast eine meiner Einlaßkarten genommen!«
»Tad, es tut mir wirklich sehr leid. Sobald wir uns treffen, werde ich dir alles erklären.«
»Du bist doch sofort ins Hochsicherheitslabor gegangen, oder nicht?« sagte Tad, und seine Stimme klang ungewohnt hart.
»Na ja, sicher.«
»Marissa, ist dir klar, daß das Labor das reinste Chaos ist, alle Tiere tot sind und jemand im Emory-Krankenhaus als Notfall
Weitere Kostenlose Bücher