Mark Beamon 01 - Der Auftrag
ich dich daran erinnern, wie du Terazzi verdroschen hast, Mark? Ich war selbst dabei. Du kannst es dir also sparen, mir jetzt eine Moralpredigt zu halten.«
»Verdammt noch mal, es ist ein Unterschied, ob man einem Mafiagorilla ein paar scheuert oder so was macht.« Er deutete auf Manion. »Bei Terazzi war es bloß Einschüchterung. Das hier ist Folter.«
Hobart schlug die Beine übereinander und streckte seine Arme auf der Rückenlehne des Sofas aus. »Ansichtssache …«
Beamon starrte seinen Partner fassungslos an. Er hatte so was schon früher erlebt, gewöhnlich jedoch nur bei Kollegen, die zwanzig Dienstjahre auf dem Buckel hatten. Hobart sah Manion und andere Kriminelle nicht länger als menschliche Wesen, sondern schlicht als Probleme, die gelöst werden mussten.
Beamon bückte sich und packte Manion am Hemd. Der junge Mann schrie auf vor Schmerz, als Beamon ihn hochzog, schaffte es aber mit ein bisschen Unterstützung, auf den Füßen zu bleiben. Beamon schlang einen Arm um seinen Oberkörper und begann, ihn zur Tür zu schleifen.
»Wo, zum Teufel, willst du hin, Mark?«
Beamon drehte sich zu seinem Partner um. »Ins Krankenhaus!«
Hobart schüttelte langsam den Kopf. »Manion ist der Schlüssel für diese Ermittlung, das weißt du genau. Ich werde nicht zulassen, dass du diese Sache vermasselst, nur weil du so empfindsame Nerven hast.«
Beamon funkelte ihn wütend an. »Diese Sache vermasseln? Ich werde dir deine ganze Karriere vermasseln, du sadistischer Hurensohn.«
Beamon wollte sich wieder zur Tür umwenden, blieb aber stehen, als Hobart nach der Knarre griff, die auf dem Couchtisch lag.
»Was soll das? Willst du mich erschießen?« Es kostete Beamon einige Mühe, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
Hobart legte seine Füße auf den Tisch und stützte die Hand mit der Knarre auf sein Knie. Der Lauf – und sein Blick – waren direkt auf Beamons Brust gerichtet.
Beamon wandte sich um und zerrte Manion langsam mit sich zur Tür. Er hielt den Atem an, als er nach der Klinke griff.
1. Kapitel
Washington, D.C. 15. Oktober 1997
Es sah eigentlich gar nicht übel aus für Wile E. Coyote. Seine raketenbetriebenen Rollerskates spuckten Feuer, als er durch die grellbunte Wüstenlandschaft flitzte. Trotzdem war klar, dass er am Ende doch verlieren und wie immer von diesem durchtriebenen Roadrunner ausgetrickst werden würde.
Leroy Marcus verstand den Kojoten. Er wusste, wie es war, wenn man sich etwas wünschte und es nie bekam. Und obwohl er gerade erst fünfzehn geworden war, verstand er, was Enttäuschung war.
Er drückte den Lautstärkeknopf der Fernbedienung, um das unablässige Husten seiner Mutter zu übertönen. Es sah aus, als sei der Kojote kurz davor, mal wieder spektakulär auf die Nase zu fallen, und er liebte diesen speziellen Pfeifton, der dabei immer ertönte.
»Leroy, hol deiner Mama was Süßes.«
Er reagierte nicht, sondern stellte den Ton noch lauter.
»Leroy, hast du nicht gehört? Ich brauch was Süßes!«
Die stille Verzweiflung in ihrer Stimme war sogar durch das Kreischen der ACME-Rocketskates zu hören.
Er musste an die Zeit denken, als seine Mutter von der Arbeit heimgekommen war und gerufen hatte, sie wolle was Süßes haben. Er und sein älterer Bruder waren dann zu ihr gerannt und hatten ihre Gesichter in ihrem Rock vergraben, und sie hatte gelacht und ihnen liebevoll die Köpfe gestreichelt.
Aber sein Bruder war seit fast einem Jahr tot, und seine Mutter hetzte nicht mehr jeden Morgen aus dem Haus, voller Sorge, dass sie womöglich zu spät kam. Wenn sie jetzt nach was Süßem verlangte, wollte sie mehr als einen Kuss. Sie wollte ihren Stoff.
»Leroy!«
Langsam wandte er den Kopf und spähte um den dicken Polstersessel, in dem er fast versank. Seine Mutter saß kraftlos am Küchentisch und starrte ihn aus wässrigen Augen an.
Der Fernseher plärrte noch lauter, diesmal ganz von selbst. Die Zeichentrickfilme waren vorbei, und nun pries ein kleiner Kobold irgendwelche supertollen Cornflakes an. Er wandte sich wieder um und zog seine Knie an die Brust.
»Worauf wartest du, Junge?«
Zögernd senkte er seine Füße auf den Boden und bahnte sich einen Weg durch die abgenutzten, kaputten Spielsachen, die seine fünfjährige Schwester überall verstreut hatte. Einen Moment lang blieb er stehen und schaute seine Mutter an. Sie wich seinem Blick aus und griff nach dem Päckchen Zigaretten.
Seine Schwester tauchte aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter auf
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