Mark Brandis - Raumsonde Epsilon
Absprache, Commander«, sagte er danach, wiederum an mich gewandt. »Man wird Sie und Ihre Männer jetzt auf die Zeus schaffen. Schlagen Sie sich alle listigen Gedanken aus dem Kopf! Meine Leute warten nur darauf, daß einer von Ihnen eine falsche Bewegung tut.«
Zwei der Piraten traten vor und richteten erneut ihre Waffen auf uns.
»Vorwärts!« sagte Captain d‘Arcy. »Sie werden nicht lange zu warten haben. Wir starten, sobald ich mit diesem hochnäsigen Südafrikaner hier fertig bin.«
Mit Bestürzung erkannte ich, daß der erteilte Befehl meinen Piloten nicht einschloß. »Captain«, sagte ich daher, »ich warne Sie! Gehen Sie nicht zu weit!«
»Hinaus!« brüllte Captain d‘Arcy, während er mit der linken Hand seinen gebrochenen Finger hielt. »Ich habe es mir anders überlegt. Er bekommt die Startnummer Eins. Aber zuvor werde ich ihm Manieren beibringen. Er wird den achten Tag noch herbeisehnen!«
Kapitel 15
Im Ruheraum der Zeus warteten wir auf den Start – in der bitteren Erkenntnis, daß Captain d‘Arcy uns einen guten Rat mit auf den Weg gegeben hatte. Der Gedanke, das Schiff mittels eines Handstreichs in die Gewalt zu bekommen, war abwegig. Die beiden Wächter, die mit entsicherten Gewehren den einzigen Zugang zum Cockpit sperrten, waren erfahrene Soldaten. Das Handwerk der Macht war ihnen geläufig. Ihre Augen glichen denen wachsamer Hunde; sie belauerten uns bei allem, was wir taten, bereit zuzuschnappen, sobald irgendeine Bewegung ihr Mißtrauen wachrief.
Aus einem der Bullaugen ließ sich das Lager übersehen. Die gefallenen VOR-Soldaten lagen noch immer an der Stätte ihres letzten Kampfes. Nichts regte sich zwischen den Iglus.
In Gedanken war ich bei Captain van Kerk. Was tat man ihm an? Wurde er geschlagen, gefoltert? Der Feind der Menschheit übte Gerichtsbarkeit. Es war nicht schwer, zu erraten, wie die von ihm erhobene Anklage lauten mochte: Majestätsbeleidigung. Dem Sonnenkaiser war der Finger gebrochen worden. Noch vermochte niemand zu ahnen, daß dieser gebrochene Finger die Entscheidung herbeiführen sollte.
Roger d‘Arcy stand kurz vor dem Erfolg. Zwischen ihm und der absoluten Macht in Form der Epsilon-Bootes-Sonde stand lediglich die von Oberst Khan geführte Hermes – nach vollzogener Kopplung zu langsamer, schwerfälliger Zielstrebigkeit verurteilt, ungepanzert und nur mit jenem leichten, unzulänglichen Waffensystem ausgerüstet, wie es nach internationalem Recht einem Expeditionsschiff zustand. Für den Schweren Kreuzer Zeus war die Hermes – wir hatten es erlebt – kein ernsthafter Gegner. Hier aber, wenige Schritte vor dem Ziel, stolperte der Pirat über seinen eigenen Charakter. Vom Verlangen getrieben, den Majestätsbeleidiger an Ort und Stelle abzuurteilen, verlor er kostbare, unwiederbringliche Zeit.
Des Menschen Schicksal ist in seinem Charakter beschlossen: die uralte Weisheit, gültig seit dem Anbeginn der Zeiten, wurde ihm zum Verhängnis. Er scheiterte an seiner gekränkten Eitelkeit.
Dies war gewissermaßen der Angelpunkt der nachfolgenden Ereignisse. Ausgelöst, in Bewegung gesetzt freilich wurden diese durch einen Vorgang, auf den niemand – weder wir, die Besatzung der Hermes, noch Captain d‘Arcy und seine Piraten – Einfluß zu nehmen vermochten.
Er trat ein, als keiner ihn erwartete – zu einem Zeitpunkt, wie er geeigneter nicht sein konnte.
Die Hoffnung, die Zeus in die Hand zu bekommen, hatte ich für den Augenblick aufgegeben. Meine Überlegungen kreisten um die nächsten Tage. Irgendwann in der von Captain d‘Arcy gesetzten Frist würde es erforderlich sein zu handeln – spätestens, bevor der erste Mann meiner Crew über Bord ging. Was wir dafür benötigten, war ein Gewehr oder eine Pistole. Damit bewaffnet, sollte der Versuch, das Cockpit zu stürmen, nicht länger im Bereich des Unmöglichen liegen.
Alles hing nun davon ab, ob es mir gelang, meine Männer davon zu unterrichten, bevor sie unter der Drohung der auf sie gerichteten Waffen die Nerven verloren. Ein schwieriges Unterfangen – denn die Wachen achteten auf jedes Wort, das fiel. Dennoch mußte es versucht werden.
»Mr. Romen!«
»Sir!«
»Wir alle könnten, glaube ich, eine kleine Aufmunterung vertragen. Wie wär‘s mit etwas Musik?«
Grischa Romens braune Zigeuneraugen verengten sich. Er las in meinem Gesicht und begriff.
»Und was, Sir, darf es sein?«
»Irgendwas«, erwiderte ich, »was auch unseren Gastgebern gefällt. Eins von diesen alten Liedern – von
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