Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)
Sonne.
Ares I löste sich von der Plattform, beschrieb eine Spirale und nahm Kurs auf die Erde.
Hinter uns lag ein historisches Ereignis.
Vor uns lag, was niemand ahnte: die Hölle.
Kapitel 03
Als ich rund ein halbes Jahr nach den geschilderten Ereignissen mit Ares I zum Landeanflug auf Metropolis ansetzte, war die Erinnerung an SALOMON 76 längst aus meinem Gedächtnis getilgt: nicht etwa, weil diesbezüglich eine Art von psychischer Verdrängung stattgefunden hätte, sondern einzig und allein, weil es zwischen meiner Tätigkeit und jener von SALOMON 76 – wie ich annahm – keinerlei Berührungspunkte gab. Die Paragraphen, die meinen beruflichen Alltag regelten, waren mir längst in Fleisch und Blut übergegangen; darüber hinaus machte ich mir über die Rechtspflege in der EAAU keine Gedanken. Ich führte keine Prozesse, beging keinerlei strafwürdige Handlungen und und las und sah keine Kriminalberichte.
Das Leben unter den Sternen, unterbrochen von den glücklichen, zufriedenen Tagen mit Ruth O‘Hara, füllte mich aus. Ares I, diese mir zur Erprobung anvertraute vertrackte Neukonstruktion der Strategischen Raumflotte, trug das ihre dazu bei, mich in Atem zu halten.
Obwohl gegen das Grundprinzip dieses ersten mit Protonenantrieb versehenen Schweren Kreuzers nichts einzuwenden war, zögerte ich, diesem die nötige Serienreife zu attestieren. Jeder Testflug brachte neue Unzulänglichkeiten an den Tag. Meist handelte es sich dabei um Kleinigkeiten, denen man in der Eile, mit der die Strategische Raumflotte die Umrüstung ihres fliegenden Potentials betrieb, um gegenüber den Vereinigten Orientalischen Republiken nicht ins Hintertreffen zu kommen, zunächst nicht viel Bedeutung zugemessen hatte – doch da es letztlich immer wieder die Kleinigkeiten und deren reibungsloses Zusammenspiel sind, was die Sicherheit eines Schiffes auf einsamem Kurs ausmacht, war ich um eine Verlängerung der kalkulierten Testzeit eingekommen.
Harris hatte mich angehört und dann in meinem Sinn entschieden – dies gewiß nicht, um mir einen Gefallen zu tun, sondern um den Militärs gegenüber die Unabhängigkeit der VEGA zu unterstreichen.
Sein einziger Kommentar war gewesen: »Wenn man schon höheren Orts Wert auf das Gütesiegel der VEGA legt, dann soll man Schiffe anliefern, die das verdienen – oder sich, verdammt noch mal, in Geduld fassen.«
Wenn man diesen Harris erlebte, fiel es einem schwer, zu glauben, daß er selbst aus den Reihen der Strategischen Raumflotte hervorgegangen und nach dem Bürgerkrieg vorübergehend Präsident der EAAU gewesen war. Der zivile Status der VEGA, der er vorstand, war ihm heilig.
Der letzte Testflug war mit einer Inspektion des Schiffes auf der Venus verbunden gewesen, und zum ersten Mal, seitdem ich dies als verantwortlicher Testpilot übernommen hatte, war die Rubrik Beanstandungen im Bordbuch leer geblieben; ich hatte an Ares I nichts auszusetzen gefunden.
»Zwei, drei Flüge dieser Art noch«, sagte ich zu Captain Romen, als wir uns auf den Heimflug machten, »und wir können dieser fliegenden Bulldogge endlich Lebewohl sagen.«
In diesen Worten war eigentlich schon alles enthalten, was ich für Ares I empfand. Dennoch möchte ich meine Gefühle präzisieren. Die Bestimmung dieses mächtigen Schiffes, das auf der Epsilon-Klasse aufbaute – Kampf und Zerstörung –, lastete auf mir wie ein Alptraum. Jeder Flug, den ich mit diesem Schiff unternahm, degradierte mich erneut zu einem Zuhälter der Macht.
Ich war nicht mehr der Jüngste; zu viel Kampf und Zerstörung lagen hinter mir. Ich träumte von friedvollen Flügen unter friedvollen Sternen, von kühnen Vorstößen in unbekannte Zonen, die nur deshalb immer wieder vom Programm gestrichen werden mußten, weil das Gleichgewicht des Schreckens, das es nach Ansicht der Militärs zwischen den beiden weltbeherrschenden Machtblöcken EAAU und VOR zu wahren galt, die hierfür erforderlichen Mittel aufzehrte.
Was Ares I anbetraf, so tat ich als Testpilot gewissenhaft meine Pflicht; zu lieben – wie ich einst meine Delta VII oder meine Hermes geliebt hatte – vermochte ich diesen Schweren Kreuzer nicht.
»Eins, Sir«, antwortete Captain Romen auf meine Bemerkung, »kann man der Bulldogge nicht abstreiten: Bei aller sonstigen Lahmheit hat sie verdammt scharfe Zähne. Ich möchte nichts mit ihr zu tun bekommen.«
»Die Lahmheit«, beschloß ich den kurzen Dialog, »werden wir ihr schon austreiben.«
Mit Grischa Romen als Captain hatte
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