Mark Brandis - Testakte Kolibri
auf dem Schirm. Die Nummer Sieben war wohlbehalten gelandet.
Burowski stand auf, um sich zu verabschieden. »Also dann – auf ein Wiedersehen im Camp, Commander!«
»Ein paar Tage wird das noch dauern. Ich stehe noch gewissermaßen unter Arrest.«
Burowski drückte mir die Hand und ging.
Vor mir, mitten auf dem Flugplan, aus feinstem, von den Jahrhunderten geschwärztem Filigran, stand ein silberner Kolibri.
Kapitel 18
Es war die Stunde der ärztlichen Visite. Der Professor und sein Gefolge umstanden mich, derweilen ein mit unzähligen feinen Kabeln versehener Helm meinen Kopf schmückte und schmerzhaft auf meine Schläfen drückte. »Und jetzt, Commander, schließen Sie die Augen und denken zur Abwechslung mal an nichts. Entspannen Sie, schalten Sie ab!«
So viel ich von dem, was gesagt wurde, verstand, war mit meinen Hirnströmen noch etwas nicht in Ordnung, und die Ärzte beratschlagten halblaut die Therapie, der sie mich zu unterziehen beabsichtigten.
Eines meiner Telephone, das rote, begann zu summen, und ich streckte den Arm aus und schaltete den Monitor ein.
»Nicht doch!« sagte der Professor ungehalten. »Sie machen ja unsere ganze Messung zunichte!«
Der Tower meldete sich. Ich blickte in das verstörte Gesicht eines der Controller.
»Sir, es ist wegen Burowski –«
Ein junger Assistenzarzt legte seine Hand auf die meine. »Das hat Zeit, Commander. Die Untersuchung geht vor. Sie haben gehört, was der Professor gesagt hat.«
Vielleicht hätte ich mich auch diesmal gefügt, wie ich es, seitdem ich in diesem Krankenhaus weilte, so oft schon getan hatte – aus Einsicht, daß hinter allem ärztlichen Reglement die Sorge um meine Gesundheit stand –, wenn mich nicht auf einmal so etwas wie eine böse Ahnung befallen hätte. Ein Anruf des Towers über die rote Leitung konnte nur neues Unheil bedeuten. So entspann sich zwischen mir und dem jungen Arzt ein kurzes, kaum wahrnehmbares Ringen, das damit endete, daß ich ihn von mir fortschob.
»Was ist mit Burowski, Kolibri-Tower?«
»Das Triebwerk versagt. Er sitzt fest.«
Ein paar Sekunden lang wußte ich nichts zu sagen. Alle meine Empfindungen waren wie eingefroren.
Bei jedem Start war ich in Gedanken dabeigewesen, und stets war ich erst dann wieder zur Ruhe gekommen, wenn ich den betreffenden Piloten heil und gesund auf der Erde wußte. Nur um Burowski hatte ich aus einem mir unerklärlichen Grund nie gebangt – vielleicht, weil ich ihn durch seine Begeisterung für den Kolibri geschützt wähnte.
»Genug!« Der Professor selbst schaltete den Monitor ab. »Noch sind Sie Patient. Ich muß Sie bitten, sich meinen Anordnungen zu fügen.«
Von seinem Standpunkt aus hatte er völlig recht – aber was wußte er davon, was es bedeutete, einen Kolibri zu fliegen, was ahnte er von der kalten, dunklen Einsamkeit auf Tiefe Zwei-Fünf, in der die Sekunden zu Ewigkeiten wurden?
Ich mochte entbehrlich sein. Jordan und Romen waren im Camp. Dennoch hielt es mich nicht länger. Der Augenblick war gekommen, an dem ich diesen Raum zu verlassen hatte, um wieder bei meinen Männern zu sein. Ich nahm den Helm ab und drückte ihn dem Professor in die Hände.
»Damit, Sir, habe ich aufgehört, Ihr Patient zu sein. Da Sie mich nicht entlassen wollen, tue ich es selbst.«
Ich schaltete den Monitor wieder ein.
» Kolibri -Tower, was wurde bereits unternommen?«
»Alarmplan B läuft gerade an, Sir. Forester wartet nur noch auf die Position.«
»Wer leitet die Aktion?«
»Im Augenblick Jordan, Sir.«
»Schön. Dann soll sich Romen meine Diana nehmen und mich hier abholen.«
»Ich werde es sofort veranlassen, Sir.«
»Ich warte unten am Kai.«
Die Entscheidung war gefallen. Ich hatte beschlossen, in das Camp zurückzukehren, um die Leitung der Aktion selbst in die Hand zu nehmen.
Als ich aufstand, erhob sich vor mir eine weiße Mauer. Die Ärzte verstellten mir den Weg.
»Commander«, sagte der Professor aufgebracht, »ich bin außer mir. In meiner ganzen Praxis ist mir ein Benehmen wie das Ihre noch nicht vorgekommen. Als Ihr Arzt untersage ich es Ihnen, die Klinik zu verlassen.«
»Es dürfte Ihnen schwerfallen«, antwortete ich, »mich daran zu hindern. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen ...«
Der Professor versuchte es mit Zureden.
»Sie gehen da ein großes Risiko ein, Commander.«
Ich dachte an meinen Poeten auf Tiefe Zwei-Fünf. »Leben Sie wohl, Herr Professor«, sagte ich unter der Tür.
Alles, was ich mitnahm, war der silberne Kolibri
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