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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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richtig, aber keiner von uns nahm daran Anstoß.
    Das Fest nahm ein Ende, als mit vorwurfsvollem Gesicht die Stationsschwester erschien – aber erst, nachdem sie Verstärkung geholt hatte, bequemten sich meine Männer zu gehen.
    Romen hüpfte um die Stationsschwester herum und spielte:
    Kalinka, Kalinka,
    Kalinka mojà ...
    Eine ganze Weile noch hörte ich seine Mundharmonika, und mir war warm ums Herz.
    Am Tag darauf war ich ungeduldiger und mißmutiger denn je.
    Um acht Uhr setzte ich mich über alle Verbote hinweg, stand auf und öffnete das Fenster – gerade rechtzeitig, um Grischa Romen starten zu sehen. Seine Nummer Sieben war ein kleiner leuchtender Punkt, der sich in der Bläue des Himmels verlor. Zurück blieb eine schwarze Wolke, mit der der Wind zu spielen begann.
    Eine Stunde später hob auch die Nummer Eins ab. Vidal hätte einen Verweis verdient, wie er da, unmittelbar nach dem Start, noch knapp über dem Erdboden, eine verwegene Schleife zog und im Tiefflug über das Krankenhaus hinwegdonnerte, so daß dies in seinen Fundamenten erbebte – aber ich überging diese Eigenmächtigkeit mit Nachsicht. Sein rauher Genesungswunsch kam von Herzen.
    Ein weiterer Tag verging, bis ich endlich die ärztliche Erlaubnis erhielt, das Bett zu verlassen.
    »Sie dürfen aufstehen, Commander«, sagte der Professor, »aber nur unter der Bedingung, daß Sie keine Dummheiten machen. Keine körperlichen Anstrengungen, keine eigenmächtigen Ausflüge ins Camp! Eine Weile müssen Sie noch unser Gast bleiben.«
    »Wie lange?« fragte ich.
    Der Chefarzt wiegte den Kopf. »Das hängt ganz von Ihnen ab, Commander. Mit einer Woche werden Sie wohl rechnen müssen.«
    »Drei Tage!« sagte ich.
    »Sieben Tage!« beharrte er. »Oder ich lehne jede Verantwortung ab.«
    Er ließ nicht mit sich feilschen, und ich fühlte mich noch zu schwach und elend, um mich durchzusetzen.
    Als am Nachmittag Boleslaw Burowski erschien, um sich aus dem Urlaub zurückzumelden, saß ich mit Kopfschmerzen im Sessel und dachte über den Flugplan für die nächste Woche nach.
    Burowski brachte mir ein kleines Geschenk mit: einen Kolibri aus Silberfiligran.
    »Eine alte mexikanische Arbeit«, sagte er. »Laura fand sie zufällig in einem Antiquitätengeschäft auf der Venus. Der Himmel weiß, wie sie sich dahin verirrt haben mag.«
    Der silberne Kolibri war eine Kostbarkeit und gewiß nicht billig gewesen – aber Geschenke, die Freundschaft besagen, darf man nicht ablehnen.
    »Wie geht es Laura?«
    »Sie versucht, sich an das Leben einer Pilotenfrau zu gewöhnen. Wir haben jetzt ein Appartement in Warschau. Ich dachte, falls Sie nichts dagegen haben, könnte ich dann und wann, an einem freien Tag, mal rüberfliegen.«
    »Sie können meine Diana nehmen, wenn diese gerade frei ist.«
    »Das ist mehr, als ich zu hoffen gewagt habe, Sir. Vielleicht kommen Sie bei Gelegenheit einmal mit. Sie haben bei meiner Laura einen Stein im Brett.«
    Burowski zeigte mir Fotos von der Hochzeitsreise. Er und seine junge Frau hatten die drei Wochen voll ausgekostet. Ein Höhepunkt war eine Fahrt durch die Sierra Alpina gewesen – dieses einzigartige venerische Gebirge mit seinen glühenden Graten und dampfenden Schluchten.
    »Und wie«, fragte ich, »hat Laura es aufgenommen, daß Sie auf meinen damaligen Vorschlag nicht eingegangen sind?«
    Burowski betrachtete ihr Foto, das er gerade in der Hand hielt.
    »Wie sie es aufgenommen hat, Sir? Nun, ich glaube, sie fängt an zu begreifen, daß sie mich nur haben kann, wenn sie meinen Beruf mit in Kauf nimmt. Wie ist das denn bei Ihnen?«
    Ich dachte an die vielen, vielen Jahre, die Ruth O‘Hara und mich verbanden.
    »Ruth«, sagte ich, »hat mich immer so genommen, wie ich bin.«
    »In diesem Fall«, sagte Burowski, »sind Sie zu beneiden, Commander.« Er wies auf den Flugplan. »Für wann bin ich vorgesehen?«
    »Für übermorgen. Ein Nachtstart.«
    »Warum nicht für morgen, Sir?«
    »Die Eins kommt erst heute wieder rein, Vidal ist mit ihr unterwegs.«
    Burowskis Augen lächelten. »Trägt er noch immer sein rotes Halstuch?«
    »Sogar im Bett.«
    Nach Vidals Schießeisen erkundigte sich Burowski nicht – vielleicht ahnte er nichts von dessen geheimnisvollen Kräften. Und ich erwähnte es nicht, um Vidal nicht bloßzustellen. Der eine überwand seine Angst, indem er die Sterne besang, der andere, indem er ein Stück Metall mit sich herumschleppte.
    Das Telefon summte; ich schaltete den Monitor ein. Jordans Gesicht erschien

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