Mark Brandis - Testakte Kolibri
vermeiden.
»Die Versuche gehen ab morgen weiter«, antwortete ich daher. »Sie sorgen dafür, daß ich auf dem laufenden gehalten werde.«
Jordan neigte den Kopf.
»Wir sind darauf eingestellt, Sir, mit einer Ausnahme.«
»Und die ist?«
»Vidal, Sir. Er hat kein Schiff zur Verfügung.«
Einen Augenblick lang hatte ich dies übersehen. Es war Vidals Nummer Zwei gewesen, die ich zu Bruch geflogen hatte.
»Vidal übernimmt die Nummer Eins .«
»Die Nummer Eins für Vidal, sehr wohl, Sir. Aber Burowski wird nicht ewig in Urlaub bleiben.«
»Sobald er wieder da ist, werden wir eine andere Lösung finden.«
Jordan zögerte.
»Da gibt es noch etwas, das geklärt werden müßte. Vidal behauptet, vom Dienst suspendiert worden zu sein.«
Auch das war ein Umstand, der mir entfallen war. Der Schock zeigte seine Folgen. Erst nach und nach entsann ich mich aller Einzelheiten und Zusammenhänge.
»Vidal steht ab morgen wieder in Dienst. Über alles weitere werde ich mit ihm persönlich reden.« Ich dachte nach. Der Schreck über meinen Unfall saß ihm gewiß noch in den Knochen. Ebensogut hätte es, falls nicht ich, sondern er mit der Zwei gestartet wäre, ihn erwischen können – trotz rotem Halstuch und sechsschüssigem Talisman. Es war anzunehmen, daß er die Zeit genutzt hatte, um in sich zu gehen; ich konnte es mir leisten, ihn zu beruhigen. »Sie können ihm ausrichten: es wird keine Eintragung geben.«
Jordan hob die Schultern. Er mußte wissen, daß Vidal nicht zum Start erschienen war, aber der Grund hierfür schien ihm unbekannt zu sein.
»Ich werde es ihm sagen, Sir. Sonst noch etwas?«
Mir fiel nichts Wichtiges mehr ein. Alles, was für die Wiederaufnahme der Testflüge erforderlich war, hatten wir besprochen.
»Das dürfte alles sein, Jordan. Ich danke für Ihren Besuch.«
Jordan verabschiedete sich und ging.
Die Unterredung hatte mich geschwächt. Beim Lesen des Berichts aus Metropolis schlief ich ein.
Als ich irgendwann die Augen wieder aufschlug, saß Ruth O‘Hara neben meinem Bett.
Kapitel 17
Ruth blieb drei Tage auf Espiritu Santu, bevor sie wieder nach Metropolis zurückflog. Die meiste Zeit davon verbrachte sie neben meinem Bett.
Ein einziges Mal nur erwähnte sie meinen Unfall; als sie merkte, daß mir das Thema nicht behagte, kam sie nie wieder darauf zu sprechen.
Solange ich Ruth in meiner Nähe hatte, war der Aufenthalt im Krankenhaus noch einigermaßen erträglich. Schlimm wurde es nach ihrer Abreise – vielleicht, weil ich nicht zu den Leuten zähle, die mit einer gewissen inneren Befriedigung krank zu sein vermögen, wovon es, wie mir scheint, eine ganze Menge gibt.
Ruth hatte kaum das Zimmer verlassen, als ich auch schon meinen ersten heimlichen Aufstehversuch unternahm. Nach ein paar Schritten wurde mir schwindelig. Eine Schwester entdeckte mich und schickte mich in das Bett zurück.
»Ich möchte nur wissen, was Sie sich dabei gedacht haben, Commander!« schimpfte sie. »Bisher war ich der Meinung, Sie hätten die Absicht, gesund zu werden.«
»Aber ich bin gesund!« widersprach ich.
Sie blieb unerschütterlich bei mir, bis ich wieder flach auf dem Rücken lag.
»Ich werde nicht versuchen, Ihnen weißzumachen, wie man zum Mond fliegt«, wies sie mich zurecht, »und Sie, Sir, unterlassen es bitte, mich über Ihren Gesundheitszustand zu belehren! Als man Sie hier einlieferte, waren Sie mehr tot als lebendig.«
Fortan lag ich im Bett und haderte mit meinem Schicksal – nicht ohne dann und wann doch wieder heimlich einen kleinen Spaziergang durch das Zimmer zu unternehmen. Zum erstenmal, seitdem ich nach Espiritu Santu gekommen war, hatte ich Sehnsucht nach dem Camp – nach den Baracken, zwischen denen der Staub aufstieg, nach der Werft mit ihrer Betriebsamkeit und nach den flunderförmigen Schiffen, die so wenig Vertrauen verdienten.
Warum nur hatte man ihnen den Namen Kolibri gegeben? Die Erklärung war nüchtern: Sie gehörten zur K-Serie der VEGA. Aber Mustang wäre angebrachter gewesen. Sie waren gut, schnell und ausdauernd – nur daß sie noch zugeritten werden mußten.
Und ich beneidete meine Männer – Jordan, Vidal, Romen –, wenn sie, nachdem sie mir Bericht erstattet hatten, wieder hinausgingen in das freie Leben, von dem mich eine ganze Armee von weißbekittelten Medizinmännern fernhielt. Sie gingen an den Start, flogen zum Mond, stürzten sich hinab in den schwarzen Schlund des Ozeans, schimpften und fluchten, wie das so ihre Art war, und niemand
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