Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
überhaupt nicht in den Sinn gekommen, mich bei ihr zu bewerben. Bewerbungen sind bis heute nicht mein Ding. Ich weiß nie, wann ich aufhören soll mit Quatschen und bin immer viel zu freundlich. So, und Renatchen ruft mich eines Tages zu sich ins Studio. Ich denke, es gibt wieder leckeren Kaffee. Doch dann stellt sie die Gretchenfrage: „Markus, würdest du auch Werbung machen?“ Och, dachte ich, ich auf so einem Plakat für eine kleine Weile – in der ganzen Stadt … Wie herrlich naiv ich doch war! Werbung – damit war natürlich TV und Kino gemeint, und zwar bundesweit. Plus Printwerbung in Zeitschriften und Magazinen und so weiter. Renate blinzelt kurz – das macht sie noch heute gerne –, und dann schießt sie den Vogel ab: „Wir haben den Regisseur im Studio und wollen heute Nachmittag Probeaufnahmen machen.“ Hui! Der Regisseur ist schon da! Dann muss ich einfach kommen. Muss! Geht’s noch? Bisher hatte ich nur „Schwarzwaldklinik“ gedreht und während meiner Ausbildung bei Else Bongers einen sozialkritischen Jugendfilm. Ich wollte doch eigentlich gar nicht zum Film! Und bei der Werbung brauchen die erst recht keine Komiker. Habe ich dafür überhaupt Zeit? Zeit nicht, aber Bedarf. Mein Konto ist so gut wie leer. Schon gehen mir Begriffe wie „Medienhure“ und „Verräter“ durch den Kopf – Verräter an der hehren Kunst des Theaters, mit Verlaub. Ich bin schnell nach Hause, ich muss ja nur über die Straße. Oben in meiner schlauchartigen Wohnung angekommen, mache ich mir eine Büchse Ravioli auf und versuche, mir Überblick über meine Finanzen zu verschaffen. Das ist leicht. Die Wüste Gobi hat eindeutig mehr zu bieten. Was übrigens in vielerlei Hinsicht sowieso richtig ist.
Also: essen und nichts wie rüber zu den Probeaufnahmen. Der Regisseur ist ganz der Profi und erklärt mir sofort, um was es sich handelt: eine Werbung für die PDS. „Komm, wir machen die Probeaufnahmen. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob das etwas für dich ist, Markus!“ Gesagt, getan. Ich war jung und brauchte das Geld … Der Spot wird veröffentlicht und gewinnt irgendeinen europäischen Filmpreis der Werbeindustrie. Meine Mutter ist kurz davor, mich zu enterben. „Unser Markus und dieser Gysi!“ Die konservativen Freunde springen im Dreieck: „Bist du irre!“ Ich bin, wie ich bin. Innerhalb weniger Jahre wird Werbung mein Ding. Es folgen viele Auslandsdrehs in London, Prag, Malaga und Kapstadt. Ich bin in einer Lebensphase, in der die Drogen in den Hintergrund treten. Mein gewohnheitsmäßiges Trinken ist noch nicht auffällig. Ich verschanze mich hinter nächtlichen Gelagen, tagsüber funktioniere ich. Mein Bekanntenkreis rekrutiert sich aus Film- und Theaterkollegen. Die Glitzerwelt entfaltet ihre Wirkung, und ich bilde mir ein, stabil genug zu sein.
Schließlich kommt der Telefon-Mann ins Spiel: T. Neumann wird geboren. Ich bin gerade auf einer Theater-Tournee mit meinen wunderbaren Kollegen Nicole Heesters und Joachim Bliese, da kommt ein Anruf von An Dorte Braker, der großartigen Casterin aus München. Probeaufnahmen für die Telekom, erzählt sie mir. Ich habe für so etwas keine Zeit. Seit ein paar Monaten habe ich meinen ersten Manager: L. ist weltgewandt und sehr schlau. Wie ein Ersatzpapa nimmt er meine Geschicke in die Hand. „Dann schicken wir wenigstens ein Video-Band!“, setzte er sich bei mir durch. Ganz frische TV-Produktionen sind darauf zu sehen. L. hat meine Fernsehkarriere deutlich angeschoben. Das kommt mir zugute. Ich vertraue mich ihm für die kommenden zwölf Jahre an. Er hat mich nie enttäuscht. Im Gegenteil, und unsere Zusammenarbeit schreibt Geschichte.
Nach ein paar Tagen bekomme ich wieder einen Anruf von L.: „Die Kreativagentur möchte dich definitiv in Absprache mit ihrem Kunden, der Telekom, als Besetzung für ihren Werbespot.“ Das Video-Band war dabei ausschlaggebend! Ich habe allerdings vergessen zu erwähnen, dass ich aktuell eine Glatze trage. Die stammt noch vom Kino-Dreh zum Film „Rossini“!
Es ist vier Tage vor Drehbeginn für den Werbespot, und die Kostümbildnerin besucht mich in Hamburg, wo ich gerade zum Gastspiel weile. „Ist ja interessant, dass du keine Haare hast!“, sagt sie, als sie mich sieht. Ein Anruf bei der Agentur, und die gesamte Produktionsmannschaft tritt an: „Wer ist diese Wuchtbrumme mit der Glatze? Doch nicht etwas unser Hauptdarsteller?“ Ich habe für „Rossini“ auch noch zehn Kilo mehr auf den Rippen. Es
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