Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
den Redaktionen über das tägliche Geschehen draußen in der Welt berichten. Aber wenn sie nur so und so viele Zeilen zur Verfügung haben, dann kommen sie rasch in Schwierigkeiten. Schreiben Sie mal über Hinz und Kunz, Herrschaften! Dafür müssen Sie jemand sein, der Struktur in den Informationsfluss bringt. Als Schreiber müssen Sie sich vorsorglich kurzfassen. Und Sie müssen etwas finden, das ein Thema zu etwas Besonderem macht. Dann kommen die anderen – die anderen in der Redaktion basteln aus dem Besonderen als Nächstes die Überschrift. Und bei dieser Arbeit nun wieder gehört es erst recht zum Alltag, kompromisslos zu sein im Umgang mit Informationen. Erst neulich hab ich etwas Spannendes in einer Boulevardzeitung entdeckt. Da konnte man lesen, dass ein junger amerikanischer Serienschauspieler jetzt bei einer strenggläubigen freikirchlichen Gemeinschaft gestrandet sei. Er habe viele Jahre unzählige Millionen mit der US-Serie „Two and a half men“ verdient und nun eine eigene Meinung zu diesem Fernsehformat entwickelt. Und er spräche darüber auch in Öffentlichkeit, und zwar schlecht. Irgendjemand bei der Zeitung hat alle passenden Informationen zu diesem Thema so zusammengepackt, dass Folgendes dabei herauskam: „Guckt bloß nicht meine Drecks-Serie. Jung-Star wurde zum radikalen Christen.“
Der Schauspieler sei zum radikalen Christen mutiert, stand dort, er äße kein Schweinefleisch mehr, glaube an die baldige Rückkehr von Jesus Christus und versuche die Fernsehzuschauer davon zu überzeugen, dass seine Fernsehserie geistiger Müll ist, den man nicht anschauen sollte. Der betreffende Jung-Star wolle nun nur noch ein Jahr seinen TV-Vertrag erfüllen, ehe er fortan nur noch Gott dienen will. Die Serie sei also vom „Aus“ bedroht, wenn der verirrter Jung-Star die Serie verließe.
Das ist radikal. Okay. Erst mal sacken lassen. Ich würde das jetzt nicht überbewerten. Natürlich weiß ich, was jetzt viele denken. Das ist Rufmord. Langsam ...
Ich habe einen Nachbarn, der ist noch viel einfacher gestrickt als ich. Wenn der morgens seine Zeitung liest, hat er eine vorgefasste Meinung für die ganze folgende Woche. Okay, seine Meinung kann sich täglich ändern, aber die großen Schlagzeilen bleiben ihm hartnäckig im Kopf. Er hält das bis zum Wochenende durch, an dem sich sein täglicher Alkoholkonsum mindestens verdreifacht. Wenn er dann auf dem Spielplatz sitzt und selig vor sich hin lächelt, dann versöhnt er sich mit der Welt. Und in seinem gedämpften Zustand erteilt er allen Bösewichtern Absolution. Wenn sich aber etwas in ihm festgesetzt hat, was er nicht versteht, dann wird er zu einem sehr verwirrten Menschen. Und dieser verwirrte Mensch kann sehr wütend fluchen.
Mich juckt es einfach in den Fingern, wenn ich in den Zeitungen so etwas lese wie über den amerikanischen Jung-Star. Ich könnte schwören, dass mein Nachbar das nicht versteht. Es ergreift ihn eine große Unruhe. Ein Gespenst geht um und nimmt Besitz von ihm: das Gespenst von der gefährlichen Religion, die alle Menschen einlullt und uns Lügen auftischt. Verallgemeinerungen hin und Mutmaßungen her: Das Ganze erinnert mich nicht im Entferntesten an schon mal Dagewesenes. In der Schule habe ich gelernt, dass Diskriminierung zu schlimmem Unheil führt. Aber heutzutage? Ich frage mich: Wer erklärt meinem Nachbarn, dass die Entwicklung eines jungen Schauspielers eine sehr komplexe Angelegenheit ist, wie bei jedem jungen Menschen? Je mehr Geld dabei im Spiel ist, desto komplexer ist die Angelegenheit. Wer erklärt meinem Nachbarn, dass er sich nicht aufregen muss, weil seine Lieblingsserie jetzt Opfer von christlicher Glaubensfindung zu werden droht – ich etwa? Ich spüre wieder das Jucken in den Fingern. Kurz und knapp würde ich als Boulevardjournalist sagen – in eine knappe Überschrift gepackt: „Alles Lüge – Fernsehen macht dumm.“
Im Fernsehen gibt viele gute Ideen. Wenn wir es bei „Die Dreisten Drei“ geschafft haben, authentische und gute Sketche zu drehen, dann ist das etwas, wofür man dankbar sein kann. Übrigens: Viele gläubige Menschen fühlen sich von diesem Comedy-Format angesprochen. Vielleicht liegt das daran, dass wir zwar dreist waren (in den ersten drei Jahren zumindest), aber nicht gemein. Und das ist cool. Das freut mich, und darum sage ich fröhlich: „Schön war’s! Gut, dass es vorbei ist.“ Die Trennung von der Serie „Die Dreisten Drei“ vollziehe ich in eigener
Weitere Kostenlose Bücher