Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
steht uns etwas im Weg. Meine Mutter verdreht gerade wieder die Augen, denn sie bekam damals meine Trennung von Rieke mit. Ich wehre mich gegen den Abschied. Aber Rieke erkennt, dass wir frei sein müssen, um zu wachsen. Unbewusst hilft sie mir mit der Trennung, indem sie mich in den Genuss der Erfahrung bringt, seelische und körperliche Schmerzen aushalten zu müssen. Die Verwundung durch ihre letzen Worte macht Sinn: „Deine Kindlichkeit in Ehren. Du musst auch erwachsen werden! Beides geht, du Rübe!“
Ich bin der geborene Schauspieler, der gar nicht anders konnte, als Komiker zu werden. Sicher, auch das Grauen trage ich in mir. Das hole ich mir aus meinen Erfahrungen mit stummen Telefonhörern, Vakuum-Nasenpumpen und Ähnlichem – Sie erinnern sich … Der Regisseur Helmut Dietl konnte in dem Film „Rossini“ darauf zurückgreifen. Der glatzköpfige Chauffeur Freddy, den ich in diesem Film spiele, lebt von den unheimlichen Anteilen aus meinem inneren Parlament. Das ist der Beruf der Schauspieler: Wir schöpfen aus uns selbst heraus. Unsere Werkzeuge sind Sprache, Atem, Gedächtnis, Körper und Seele, um nur einige zu nennen. Wir tragen eine Verantwortung gegenüber unserem Publikum. Daher müssen wir an uns arbeiten und unsere Werkzeuge pflegen. Wir müssen diszipliniert arbeiten und eine ehrliche Arbeit leisten. Achtsamkeit ist, auch den Kollegen gegenüber, gefragt. Die Geschenke unseres Berufes – Respekt, Heiterkeit und Vertrauen – sind entscheidende Gradmesser, ob ich eine Produktion mache oder nicht! Wenn Disharmonie, Eigensinn und Gewalt auftauchen, ziehe ich die Konsequenzen. Wenn ich die Chance dazu habe, lasse ich die Situation erst einmal auf mich wirken. Dann gebe ich ein deutliches Signal ab. Wenn dies nicht funktioniert, suche ich das Weite. Dies tue ich heute konsequent und in einer angemessenen Art und Weise. Groll oder Angst können so gar nicht erst entstehen.
Meine Erfahrung mit meinem Ego hilft mir beim Üben der Achtsamkeit. Ich bin darin kein Meister gewesen. Ich habe mich aber immer bemüht, Arroganz, Übertreibung und Klamauk zu vermeiden. Das schaffe ich sehr gut mit meiner kindlichen Liebe, die mir niemals abhanden gekommen ist. Max Reinhardt hat einmal gesagt: „Theater: Der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiterzuspielen.“
Die Rolle des Kommissars Max Kolditz in „Der letzte Zeuge“ hat komische Aspekte, keine Frage. Diese sind jedoch nicht aufgesetzt, das würde nicht funktionieren. In dieser Sendereihe habe ich meinem Lieblingskollegen Jörg Gudzuhn und dem Regisseur Bernhard Stephan viel zu verdanken. Sie haben mich geführt und meinen Glauben an mich selbst gestärkt. Beide zeigten Freude an meinem reduzierten Spiel. Ich machte meine Sache so gut, dass sie nichts anderes mehr durchlassen wollten. Vor allem Bernhard Stephan wachte streng darüber: „Halte die innere Spannung, und mache nichts. Gar nichts. Sei einfach Max.“ Genial, ich danke euch dafür! Natürlich habe ich mich vor allem an Jörgs Qualität orientiert und am Minimalismus von Ulrich Mühe.
In der Telefonwerbung als der freundlich Herr T. Neumann probiere ich etwas anderes. Reduziertes Spiel war das nicht. Was macht dann die Qualität aus? Die eigene Schusseligkeit als Mittel zum Zweck einsetzten zu können! Die Komik und das hohe Bewegungstempo sind bei den insgesamt siebenunddreißig TV-Spots über die Zeit von zehn Jahren immer deutlich erkennbar.
„So, und jetzt kombiniere die Euphorie von deiner Figur mit der Not, die darunterliegt, Markus!“ Ich stehe mit meiner schütteren Perücke schweißgebadet vor dem genialen Regisseur Ron Eichhorn, erinnere mich an den toten Telefonhörer aus Kindheitstagen und nicke wissend. „Versuche unbedingt, deine Schusseligkeit mit einer großen Ernsthaftigkeit zu spielen.“ Die Drehtage mit Ron sind hart und beglückend zugleich. Das ist eine gute Voraussetzung für einen tragisch-komischen Ansatz. Ich habe die Figur des Verkäufers verinnerlicht. Sie ist mein geworden. Dazu möchte ich etwas ausholen.
Einige Jahre zuvor. Ich wohne genau gegenüber von einer Casting-Agentur und winke beim Spazierengehen mit meinem Setter immer fröhlich ins Fenster hinein. Ich winke mit der Hand, nicht mit dem Hund. Dort sitzt die gutaussehende Chefin Renate an ihrem Tisch und koordiniert fleißig Film- und Werbeanfragen. Mir war es bislang
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