Marlon, die Nummer 10
wirst du nicht!“, schrie er. „Das ist ein Befehl!“
Ich stieg seelenruhig auf mein Fahrrad.
„Marlon! Ich warne dich!“, drohte mir Leon, aber dann veränderte sich das Tigerchamäleon ein letztes Mal. Es wurde handzahm.
„Marlon! Ich bitte dich!“, flehte Leon. „Ich bring dich dafür auch nicht um! Zumindest heute noch nicht!“
„Okay! Abgemacht!“, lachte ich und trat in meine Pedale. Die Gangschaltung klackte so leise wie eine Präzisionsmaschine. Die extrabreiten Geländereifen meines BMX-Mountainbikes surrten satt und fett über den Asphalt. Der Mond spiegelte sich in den verchromten Motorrad-Schutzblechen und auf der riesigen Lampe. Die Wilde Kerle -Samurai-Fahnen in meinem Rücken flatterten im Wind und mir ging es einfach fantastisch. Mir, Marlon, der Nummer 10, der auch „die Intuition“ genannt wird. Ja, und krumpelkrautrüben- und krapfenkrätziger Schlitzohrenpirat! Jetzt werde ich euch gleich was erzählen, das ihr in noch keinem anderen Wilde Fußballkerle -Buch gelesen habt. Gleich ging es mir nämlich noch tausendmal besser. Ja, mir und allen anderen nachtschwarzen Kerlen. Selbst Leon, das Tigerchamäleon, bekam seine Streifen zurück und Raban, der Held, stieg zum Manager auf. Er blähte sich auf, als wollte er sich in den Chef von Bayer Leverkusen , in den dicken Rainer Calmund verwandeln. Ja, ihr habt richtig gehört. Dieses Mal kann ich euch von keiner Katastrophe berichten. Die Wilden Fußballkerle wurden weder zerstört noch verboten. Sie wurden auch nicht in alle Winde zerstreut. Wir schämten uns auch nicht und wir hatten keine heimliche Schwäche. Staraja Riba, die alte Hexe, blieb diesmal auf ihrer glitschigen Klippe. Nein, das, was ich euch als Nächstes erzähle, machte uns einfach nur stark. Unvorstellbar stark. So stark, dass wir es gar nicht begriffen. Zumindest ich schnallte es nicht.
Die Weltmeisterschaft vor der Weltmeisterschaft
Ich kam als Erster nach Camelot. Ich fuhr in den Garten von Juli und Joschka, und wieder einmal kam es mir vor, als würde ich es zum ersten Mal sehen. Über mir ragte unser Baumhaus in den Sternenhimmel empor – unser neues Baumhaus: Camelot II! Könnt ihr euch daran erinnern? Wilson „Gonzo“ Gonzales, der blasse Vampir aus der Nebelburg, hatte es zusammen mit seiner Skatergang, den Flammenmützen , im Kampf gegen uns völlig zerstört. Doch dann folgte die Schlacht um den Teufelstopf und aus der gingen wir als Sieger hervor. Das werde ich nie im Leben vergessen. Joschka, der Kleinste von uns, hatte das Bravourstück vollbracht. Ganz ohne Waffen, nur mit einer Rolle Tapezierklebeband und seinem Kuscheltier, der Wilde Kerle -Puppe, hatte er sich durch das modrige, von Spinnen verseuchte Geheimtürenrohr gewagt. Er war in den von den Flammenmützen besetzten Hexenkessel aller Hexenkessel gekrochen und hatte dem blassen Vampir einen solchen Schreck eingejagt, dass der sich auf der Stelle ergab.
Aber das war nicht alles. Joschka hatte noch was besiegt. Er hatte unsere heimliche Schwäche bezwungen. Verflixt! Das könnt ihr mir jetzt gar nicht glauben, habe ich Recht? Aber damals schämten wir uns für uns selbst. Wir trauten uns nur noch dann wild zu sein, wenn uns keiner dabei sah. Wir waren unsichtbar wild und das bedeutet nichts anderes als feige. Aber dann hatte uns der kleine Joschka wieder sichtbar gemacht. Wir wurden wilder und gefährlicher als jemals zuvor. Das musste selbst Wilson „Gonzo“ Gonzales zugeben. Nicht er, sondern wir, die Wilden Kerle , regierten das Wilde Land. Das Land vom Sternschnuppen-Wall hinter den Graffiti-Burgen bis hin zur Geheimhalle auf der anderen Seite der Magischen Furt. Deshalb bat Wilson uns um Verzeihung und weil es ihm ernst damit war, baute er mit uns zusammen die Wilde Burg wieder auf.
Camelot II entstand wie der Phönix aus seiner eigenen Asche. Es wurde noch größer und majestätischer als unser Baumhaus davor. Die Halle schwebte in fünf Metern Höhe. Der Rundkuppelbau spannte sich um den mächtigen Baum. In ihm konnten sich nicht nur die Wilden Fußballkerle , sondern die Flammenmützen und alle Unbesiegbaren Sieger auf einmal versammeln – und sie wurden von Gefechtsständen auf allen Seiten geschützt. Federkanonen, Dampfstrahlerwummen, Honig- und Schmierseifen-Weihnachtsbaum-Einnetztonnen-Stolperseil-Fallen standen bereit und noch viele andere Geheimwaffen und Geheimtürentricks. Aber die darf ich euch noch nicht verraten. Sonst wär’n sie ja nicht mehr geheim. Und über
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