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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Aldebaran.

D ie nördliche Polinsei hatte vielleicht mehr Umformung erfahren als jede andere Landschaft auf dem Mars. Das hatte Sax läuten gehört, und nun spazierte er auf einer Klippe am Rande des Chasma-Borealis- Flusses und sah selbst, was das bedeutete. Die Polkappe war etwa zur Hälfte geschmolzen, und die massiven Eiswände des Chasmas waren fast verschwunden, was ein Auftauen bewirkt hatte, wie es auf dem Mars seit dem frühen Hesperian keines mehr gegeben hatte. Und dieses ganze Wasser war in jedem Frühling und Sommer über die geschichteten Sand- und Lößgebiete gerauscht und hatte sie mit großer Gewalt durchschnitten. Die Senken im Gelände waren zu tiefen Canyons mit Sandwänden ausgewaschen worden, die sich flußabwärts in sehr instabilen Wasserläufen zum Nordmeer hinzogen, im Frühling Schmelzwasser kanalisierten und sich rasch verlagerten, wenn Abhänge und Erdrutsche kurzlebige Seen schufen, ehe die Hindernisse durchschnitten und ihrerseits weggeschwemmt wurden, wobei nur noch Strandterrassen und Rutschlöcher übrigblieben.
    Sax blieb stehen und schaute in eines dieser Rutschlöcher hinunter. Er berechnete, wieviel Wasser sich in dem See angesammelt haben mußte, ehe der Damm gebrochen war. Man durfte nicht zu nahe an der Kante des Ausgucks zu stehen kommen, weil die neuen Canyonränder keineswegs stabil waren. Es waren einige Pflanzen zu sehen. Nur hie und da gab es einen Streifen blasser Flechtenfarbe, der etwas Abwechslung neben den mineralischen Tönen bot. Der River Borealis war ein breites Sumpfgebiet voller bewegter Gletschermilch mehr als zweihundert Meter unter ihm. Zuflüsse schnitten weniger tief in abschüssige Täler ein und entluden ihre Fracht in trüben Wasserfällen wie Ergüsse dünner Farbe.
    Oberhalb der Canyons war nun, was einst der Boden von Chasma Borealis gewesen war: ein Plateau, von Nebenflüssen durchschnitten in einem Muster wie Adern in einem Blatt. Das war ursprünglich geschichtetes Terrain gewesen und sah jetzt aus, als wären künstlich Höhenlinien in die Landschaft ziseliert worden; und die Schnitte sahen aus, als wären die Kurvenlinien viele Meter tief eingeritzt worden, als hätte die Karte das Gelände bis in große Tiefe markiert.
    Es war fast Mittsommer, und die Sonne zog nahezu Tag und Nacht über den Himmel. Wolken lösten sich im Norden vom Eis. Wenn die Sonne am tiefsten stand, entsprechend der Mitte das Nachmittags, trieben diese Wolken in dicken Nebeln südwärts zum Meer, die bronze, purpur- oder fliederfarben oder in anderen wechselnden zarten Farbtönen schimmerten. Vereinzelte Fjellfeldblumen verzierten das geschichtete Plateau und erinnerten Sax an den Arena-Gletscher, jene Landschaft, die lange vor seinem Unfall seine Aufmerksamkeit erregt hatte. An diese erste Begegnung konnte Sax sich nur mit Mühe erinnern; sie hatte sich aber offenbar auf die Weise eingeprägt, in der Gänseküken die erste Kreatur, die sie sehen, als ihre Mutter betrachten. Es gab große Wälder in den gemäßigten Zonen, wo Bestände an Riesensequoien das Unterholz aus Kiefern beschatteten. Es gab eindrucksvolle Meeresklippen, in denen große Schwärme schreiender Vögel hausten. Es gab Terrarien von Kraterdschungeln aller Art, und in den Wintern die endlosen Flächen von Sastrugi-Schnee. Es gab Schluchten wie vertikale Welten, große Wüsten mit rotem, sich verlagerndem Sand, Vulkanhänge aus schwarzem Geröll. Es gab jede Art von Biom, egal wie groß und klein. Aber Sax war diese karge Biolandschaft am liebsten.
    Er ging weiter über die Felsen. Sein kleiner Wagen folgte ihm, so gut er konnte, und überquerte die Zuflüsse des Borealis-Stroms oberhalb bei den ersten Wagenfurten. Das sommerliche Blühen, obwohl schwer zu erkennen, wenn man mehr als zehn Meter entfernt war, war dennoch intensiv farbig und auf seine Weise ebenso eindrucksvoll wie der Regenwald. Der von diesen Pflanzen erzeugte Boden war nur sehr dünn und würde bestenfalls langsam dicker werden. Und es war schwierig, ihn zu vermehren, denn jeder in die Canyons fallende Boden gelangte schließlich in das Nordmeer. Auf dem geschichteten Terrain waren die Winter so rauh, daß Boden wenig nützte, da er nur ein Teil des Permafrostes wurde. Also ließ man die Fjellfelder in ihrem eigenen langsamen Tempo zu Tundren werden und sparte den Boden für erfolgversprechendere Regionen im Süden auf. Sax fand das richtig. Es beließ jedem für viele kommende Jahrhunderte das Erlebnis des ersten Areobioms, in all

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