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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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seiner Kargheit und Unirdischkeit.
    Sax stapfte über das Geröll und beachtete jedes pflanzliche Leben unter seinen Füßen. Dabei wandte er sich seinem Wagen zu, der inzwischen zu seiner Rechten außer Sicht geraten war. Die Sonne hatte ziemlich genau die gleiche Höhe, die sie den ganzen Tag gehabt hatte. Von der tiefen Senke, wo der neue schmale Fluß von Chasma Borealis dem Lauf des breiten alten folgte, entfernt, war es sehr schwer, die Orientierung zu behalten. Norden könnte überall im Bereich von 180 Grad liegen - im Grunde >hinter ihm<. Und es würde nicht helfen, aufs Geratewohl auf das Nordmeer zu zumarschieren, weil Polarbären an dieser Küste sehr gut gediehen und Seehunde und umherstreifende Krähen töteten.
    Darum machte Sax einen Moment Pause und befragte die Karte an seinem Handgelenk, um seinen genauen Standort zu bestimmen. Er hatte in diesen Tagen ein sehr gutes Kartenprogramm in seinem Handy. Er stellte fest, daß er sich auf 31,63844° Länge und 84,89926° nördlicher Breite befand, plus oder minus ein paar Meter. Sein Wagen stand bei 31,64114 und 84,86857. Wenn er wie auf einer ausgezeichneten natürlichen Treppe auf die Spitze dieses kleinen brotlaibartigen Buckels im Westnordwesten kletterte, müßte er ihn sehen können. Jawohl, da rollte er in lässigem Marschtempo dahin. Und da, in den Ritzen dieses Brotlaibs (um diese anthropomorphe Analogie zu benutzen) gab es etwas kleinen rötlichen Steinbrech, der hartnäckig im Schütze des geborstenen Steines hockte.
    Etwas an diesem Bild war so befriedigend: Das geschichtete Terrain, der Steinbrech im Licht, der kleine Wagen, der sich auf das Rendezvous zum Dinner mit ihm zubewegte, die angenehme Müdigkeit in seinen Füßen und dann noch etwas Undefinierbares, wie er zugeben mußte. Es war nicht zu erklären, wieso die einzelnen Elemente des Erlebnisses nicht ausreichten, um das Vergnügen daran zu begründen. Eine Art von Euphorie. Er nahm an, es sei Liebe. Der Geist des Ortes, die Liebe zum Ort, die Areophanie - nicht nur, wie Hiroko sie beschrieben hatte, aber vielleicht, wie sie sie auch erfahren hatte. Ah, Hiroko, konnte sie dies wirklich die ganze Zeit als so schön empfunden haben? Eine gesegnete Kreatur. Kein Wunder, daß sie eine solche Aura ausgestrahlt, eine solche Gefolgschaft gefunden hatte. Schön, diesem Glück nahe zu sein, zu lernen, es selbst zu empfinden... Liebe zum Leben des Planeten. Sicher war die biologische Komponente der Szene ein kritischer Bestandteil der Zuneigung. Selbst Ann hätte das, stünde sie jetzt neben ihm, sicher zugeben müssen. Eine interessante Hypothese, die man prüfen sollte. Ann, sieh dir diesen purpurnen Steinbrech an! Sieh, wie er irgendwie den Blick auf sich zieht! Das Interesse wird im Zentrum der krummlinigen Landschaft fixiert. Und so auch die spontan entstandene Liebe.
    Dieses erhabene Land schien ihm eine Art Bild des Universums selbst zu sein, zumindest in seiner Beziehung von Leben zu Nichtleben. Sax war den biogenen Theorien von Deleuze gefolgt, einem Versuch, im kosmologischem Maßstab zu mathematisieren. Anders als Hirokos Viriditas. Soweit Sax sehen konnte, behauptete Deleuze, daß Viriditas beim Urknall eine fadenförmige Kraft gewesen wäre, ein komplexes Grenzphänomen zwischen Kräften und Partikeln, das vom Urknall als reine Möglichkeit auswärts strahlte, bis Planetensysteme der zweiten Generation die volle Palette schwerer Elemente angesammelt hatten. An dieser Stelle war Leben entsprungen, in den >kleinen Urknallen<, hervorgebrochen am Ende jedes Fadens von Viriditas. Es hatte nicht allzu viele Fäden gegeben, und sie waren gleichmäßig im Weltall verteilt gewesen. Der galaktischen Verklumpung folgend und sie zum Teil gestaltend. Dadurch war jeder Faden von den anderen so weit entfernt wie nur irgend möglich. Darum waren alle Inseln mit Leben in der Raumzeit weit voneinander getrennt. Das machte einen Kontakt zwischen zwei beliebigen Inseln sehr unwahrscheinlich, weil das alles späte Phänomene in großer Distanz vom Rest waren. Sie hatten keine Zeit für Kontakt gehabt. Diese Hypothese schien, wenn sie stimmte, Sax eine mehr als ausreichende Erklärung für das Versagen der SETI zu sein. Jenes Schweigen der Sterne, das jetzt schon fast vierhundert Jahre andauerte. Ein Wimpernschlag im Vergleich mit der Milliarde Lichtjähre, durch die laut Deleuze alle Inseln des Lebens voneinander getrennt sein sollten.
    Also existierte Viriditas im Weltall wie dieser kleine Steinbrech

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