Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
nicht erkennen konnte, und ihm dann in die Augen schauten, während ihr Übersetzungsgerät Englisch mit einem Akzent aus der BBC oder Mittelamerika oder dem Staatsdienst von New Delhi sprach und irgendeine nicht unvorhersehbare politische Meinung äußerte. Es war wirklich ermutigend, auf diese Art die Distanz zu den Teilnehmern weniger extrem als bei der Teilnahme durch Fernübertragung zu erleben. Dennoch war es noch immer nicht ganz so, als ob man >von Angesicht zu Angesicht< miteinander spräche, sondern eine politische Melange, die Unmöglichkeit blockweise abzustimmen oder gar in normalen Wählerschaften zu denken.
Es war wirklich eine seltsame Versammlung. Aber es ging weiter, und schließlich hatte sich jeder daran gewöhnt. Sie nahm bald jene sonderbare Qualität an, die über ihre normale Dauer hinaus Bereitschaft signalisierte, sich noch über Stunden mit einem Thema zu beschäftigen. Einmal aber, sehr spät in der Nacht, nach einem langen, bizarren Gespräch, in der der Übersetzer am Handgelenk der jungen Frau, mit der er sich unterhielt, in rhythmischen Couplets sprach (wobei Art nie erfuhr, welches ihre Ausgangssprache war), ging Art durch das Lagerhaus zu seiner Bürosuite zurück, um den runden Tisch herum, an dem immer noch gearbeitet wurde, obwohl es bereits nach dem Zeitrutsch war. Er blieb stehen, um eine Gruppe kurz zu begrüßen und stieß dann mit Schwung gegen eine Seitenwand, halb wach, halb dösend, durch seinen Kavajavarausch und die Erschöpfung überwältigt. Und ganz plötzlich kam in einer Art von schlafwandlerischer Vision das Seltsame zurück. In den Ecken waren Schatten, unzählige flimmernde Schatten, und darin Augen. Gestalten wie substanzlose Körper: Alle Toten, so schien es, und alle Ungeborenen waren da im Lagerhaus mit ihnen, um Zeugen dieses Augenblicks zu sein. Als ob die Geschichte ein Gobelin wäre und der Kongreß der Webstuhl, wo alles zusammenkam, der gegenwärtige Moment mit seiner übernatürlichen Präsenz, sein Potential direkt in den eigenen Atomen und Stimmen. Rückblick auf die Vergangenheit, imstande, alles zu sehen, ein einziger langer geflochtener Knüpfteppich von Ereignissen. Vorschau auf die Zukunft, imstande, nichts davon zu sehen, obwohl sie sich vermutlich in einer Explosion von Fäden der Möglichkeit verzweigte, und alles möglich werden konnte. Es gab zwei verschiedene Arten unerreichbarer Maßlosigkeit. Und alle wanderten zusammen vom einen ins andere, durch den großen Webstuhl der Zeit, das Jetzt. Jetzt war ihre Chance gekommen, für alle zusammen in diesem Augenblick, in dem alle Elemente, die zur Weisheit fähig waren, miteinander verwoben werden mußten - zur Weitergabe an alle künftigen Generationen.
S ie konnten alles mögliche tun. Aber gerade deshalb war es schwierig, den Kongreß zu einem Abschluß zu bringen. Unendlich viele Möglichkeiten standen vor dem Zusammenbruch bei der Wahl der einzigen Weltlinie der Geschichte. Die Zukunft wurde zur Vergangenheit. Es war etwas Enttäuschendes in dieser Passage durch den Webstuhl, dieser so jähen Verkleinerung der Unendlichkeit zu Eins, dem Zusammenbruch von Potentialität in Realität, welches die Aktion der Zeit selbst war. Das Potential war so entzückend, der Weg, den sie möglicherweise einschlagen konnten, alle die besten Teile aller Regierungen zugleich, magisch kombiniert zu einer Art von erhabener, noch nie gesehener Synthese... oder sollte man all das beiseite werfen und endlich einen neuen Weg in das Herz einer gerechten Regierung bahnen? Von dort zu der mundanen Problematik der geschriebenen Verfassung zu gehen, war ein unvermeidlicher Rückzug, den die Leute instinktiv ablehnten.
Andererseits wäre es sicher ein Vorteil, wenn ihr diplomatisches Team mit einem fertigen Dokument auf der Erde ankäme, um es den UN und dem Volk der Erde vorzulegen. Das war eigentlich unumgänglich. Sie mußten fertig werden; nicht bloß, um der Erde die vereinte Front einer etablierten Regierung zu präsentieren, sondern auch, um ihr Leben nach der Krise zu beginnen, wie das auch immer aussehen mochte.
Nadia empfand dies stark und begann sich selbst darum zu bemühen. »Es ist Zeit, den Schlußstein in den Bogen zu fügen«, sagte sie eines Morgens zu Art. Und von da an war sie unermüdlich, kam mit allen Delegationen und Komitees zusammen und bestand darauf, daß sie alle zu einem Ende ihrer Arbeit kamen, und es zur Schlußabstimmung vorzulegen. Diese ihre unerbittliche Hartnäckigkeit zeigte
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